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Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/008

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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

straucheln läßt und, was etwa im Wege ist, leicht aufrichtet, sodaß die Erzählung keinen Anstoß erregt. 15 Wir[1] behaupten somit, daß unter den Worten „die ganze Erde war eine Sprache und einerlei Stimme“ das Zusammenstimmen sowohl der unsäglich vielen großen Verbrechen gemeint ist, die Staaten gegen Staaten, Völker gegen Völker und Länder gegen Länder begehen, als auch die Sünden der Menschen nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen Gott; das sind ja die Vergehen der Massen. Ja, wir erkennen sogar bei einem Einzelnen die Unmenge der Übel, insbesondere, wenn er von jener unharmonischen, mißtönenden, musenfeindlichen „Übereinstimmung“ (der Übel) befallen ist. [6] 16 Wer kennt denn nicht die vom Zufall abhängenden Dinge:[2] wenn Armut und Ruhmlosigkeit zu körperlichen Krankheiten und Gebrechen hinzutreten, und diese hinwiederum sich gesellen zu Schwächen einer Seele, welche infolge von Melancholie, vorgerücktem Alter oder eines anderen schweren Mißgeschicks den Verstand verloren hat? 17 Denn schon der heftige Anfall eines einzigen der genannten (Übel) ist imstande, selbst einen ungemein ansehnlichen Menschen zu stürzen und zu Boden zu strecken. Wenn aber alle insgesamt, die körperlichen, die geistigen und die äußeren Übel, wie auf Befehl gleichzeitig in einem Haufen einen bestürmen, welches Elend wird hier nicht überboten? Denn sind die Trabanten gefallen, so müssen auch ihre Herren fallen. 18 Die Trabauten des Körpers sind aber Reichtum, Ruhm und Ehren, welche den Körper aufrichten, emporheben und ihm Glanz verleihen, wie im Gegenteil Verachtung, Ruhmlosigkeit und Armut Feinden gleich


  1. D. h. Wir Allegoriker. Philo faßt (was z. B. Mangey verkennt) γῆ Erde in demselben ungünstigen Sinn wie in Adam und namentlich Edom (vgl. § 25) und schließt aus φωνὴ μία (wörtlich eine Stimme) auf συμφωνία (Übereinstimmung).
  2. Den folgenden Ausführungen liegt die aristotelische Teilung der Güter (und dementsprechend auch der Übel) in drei Klassen: die körperlichen, geistigen und äußeren zugrunde. Vgl. Arist. Eth. I, 8. 1098b, 12. S. Über Abraham § 219. Die körperlichen und äußeren Übel heißen auch „zufällige“ (τυχηρά), da sie vom Zufall abhängen, wogegen die geistigen die freiwilligen (ἑκούσια) sind; vgl. Cic. Tusc. V 21 und Über die Tugenden § 5ff. Von der stoischen Lehre, die nur wissenschaftlich-ethische Werte als „Güter“ anerkennt, entfernt sich Philo sehr weit, aber nicht unter dem Einfluß weltanschaulichen Abweichung, sondern in dem rein rhetorischen Bestreben, die „Symphonie“ der verschiedenen Übel herauszubekommen. Daß diese Übel zum Teil nur schwer zum Begriff der Erde in Beziehung gesetzt werden können, bleibt dabei außer Betracht.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/008&oldid=- (Version vom 1.8.2018)