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Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/007

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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

sich verschiedener Sprachen bedienen, wurde alle Welt oft von unsäglichen Lastern erfüllt. Denn nicht die Gleichheit der Sprachen, sondern die gleichartigen seelischen Neigungen zum Bösen sind die Urheber des gemeinsamen Frevels. 11 Auch diejenigen, denen man die Zunge ausgeschnitten hat, können ja durch Winke und Blicke, wie durch andere Haltungen und Bewegungen des Körpers ebenso ihren Willen bekunden, wie (andere) durch den sprachlichen Ausdruck. Dazu kommt, daß oft schon ein einzelnes Volk, das nicht nur eine gemeinsame Sprache hat, sondern auch gleiche Rechte und die gleiche Lebensweise, eine so ungeheuere Boshaftigkeit an den Tag legt, daß seine Verbrechen die der gesamten Menschheit aufwiegen könnten. 12 Viele wurden hinwiederum infolge der Unkenntnis der Sprachen von Angreifern überrascht und vernichtet, dagegen waren die Sprachkundigen imstande, die drohenden Schrecken und Gefahren abzuwenden. Daraus ergibt sich, daß die Sprachgemeinschaft eher nützlich als schädlich ist, wie ja auch bis auf den heutigen Tag die Einwohner der einzelnen Länder, besonders die Eingeborenen, durch nichts so sehr als durch die gemeinsame Sprache vor Angriffen geschützt bleiben. 13 Wenn aber jemand sich mehrere Sprachen angeeignet hat, so wird er von den dieser Sprachen Kundigen mit aller Achtung als bereits zu ihnen gehörig behandelt, da er mit dem Sprachgebrauch ein wichtiges Merkmal der Zusammengehörigkeit bietet, [407 M.] wodurch anscheinend das Sicherheitsgefühl geschaffen wird, daß man nichts Schlimmes erfahren wird. Wie kommt es also, daß (Gott) die Sprachengemeinschaft der Menschen als Ursache des Übels schwinden ließ, da sie doch vielmehr als eine sehr ersprießliche Einrichtung gefestigt werden sollte?[1] [5] 14 Die solche Vorwürfe mit Scheinkunst erheben, werden eigens[2] von denjenigen widerlegt werden, die die obenaufliegenden Erklärungen der jeweilig aufgeworfenen Fragen auf Grund des Wortlautes in schlichter Weise (zu geben pflegen); ohne hierbei Sophisterei mit Sophisterei zu erwidern, folgen sie dem geschlossenen Zusammenhang (der Erzählung), die nicht


  1. Da die Gegner der biblischen Gesetze und Erzählungen bei Philo meines Erachtens durchweg unter dem Einfluß des Kynismus stehen, wird man auch diese Einwände aus der Vorliebe der Kyniker für den Urzustand der Menschen und dem kosmopolitischen (also gegen nationale Unterschiede gerichteten) Zuge ihres Denkens erklären dürfen. Vgl. Über die Einzelges. II 42ff. I. H.
  2. Ἰδίᾳ auf ihre Weise (Gegensatz § 15), nach der wörtlichen Auffassung, die Philo nicht wiedergeben will.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/007&oldid=- (Version vom 1.8.2018)