Zum Inhalt springen

Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/39

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn

Augen in fortwährender und ununterbrochener Tätigkeit sind und niemals überdrüssig werden, also auch damit beweisen, in welch inniger Beziehung sie zur Seele stehen. 155 Nur ist die Seele immer in Bewegung und wach bei Tag und Nacht, den Augen aber, die ja grösstenteils körperlicher Natur sind, ist die vollkommen hinreichende Gabe verliehen, während der Hälfte der ganzen Lebenszeit die ihnen zukommende Tätigkeit auszuüben. [30] 156 Was aber der wichtigste Nutzen der Augen ist, soll nunmehr gesagt werden. Für das Sehvermögen allein unter allen Sinnen hat Gott das Licht hervorgebracht, das unter den existierenden Dingen das schönste ist und zuerst in der h. Schrift „schön“ genannt wurde (1 Mos. 1,4). 157 Das Licht ist aber zweifacher Natur: das eine entsteht aus dem für unsern Gebrauch bereiteten Feuer, es ist ein Vergängliches aus Vergänglichem und unterliegt dem Erlöschen, das andere hingegen ist unverlöschbar und unvergänglich, es kommt von oben, vom Himmel, zu uns herab, indem jedes Gestirn wie aus ewig sprudelnden Quellen Lichtstrahlen entsendet. Mit beiden Arten verbindet sich der Gesichtsinn und mit beider Hilfe gelangt er zu deutlicher Wahrnehmung alles Sichtbaren. 158 Sollen wir nun noch weiter versuchen, mit Worten die Augen zu preisen, da doch Gott ihren wahren Ruhm am Himmel [24 M.] durch die Gestirne verkündigt hat? Denn weswegen ist das Licht der Sonne, des Mondes, der andern Planeten und der Fixsterne geschaffen worden, wenn nicht für die Tätigkeit der Augen zum Zwecke des Sehens? 159 Mit Hilfe des Lichtes also, dieser schönsten aller Gaben, betrachten sie alles in der Welt[1], die Erde, Pflanzen, Tiere, Früchte, die Meeresfluten, die Quellflüsse und die Giessbäche und die verschiedenen Quellen, die teils kaltes teils warmes Wasser hervorfliessen lassen, die Beschaffenheit aller Dinge, die in der Luft existieren – unzählige und nicht mit Worten zu umfassende Formen gibt es –, und schliesslich den Himmel, der in Wahrheit als eine Welt in der Welt geschaffen ist, und alle Herrlichkeiten und göttlichen Wunderwerke am Himmel.

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/39&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
  1. Dass die Augen des Lichts bedürfen, um zu sehen, lehrte Aristoteles (de anima II 7 p. 418 b).