wenn Jemand bei ihnen schon für tugendhaft, ja, für einen Christen gilt, und sogar im Rufe nicht geringer Frömmigkeit stehet, sobald man ihm nur keine solche Laster vorwerfen kann, als selbst die Heiden verabscheuen. Welch ein trauriges Zeichen der Verderbtheit eines Landes! Aber wie groß muß nicht die Verblendung seyn, wenn Leute, die sich für gläubige Christen halten, dieselben Gebräuche, welche von denen, die sie Ungläubige nennen, als schändliche Dinge verworfen werden, nicht für das erkennen können oder wollen, was sie wirklich sind, sondern ihnen die schönen Namen: Anstand, Artigkeit, guter Ton, Erhohlung, u. dgl. beilegen. Aber, meine Freunde! gesetzt auch, es gäbe keinen Gott, und weder Himmel noch Hölle; keine Beispiele heiliger Menschen; keinen Herrn Jesum Christum, dessen Kreuze wir uns unterwerfen, und nach dessen Lehre und Leben wir uns richten müßten; würde es nicht dennoch immer eine edlere Beschäftigung und weit würdigere Verwendung unserer Zeit und unseres Geldes seyn, wenn wir Mildthätigkeit gegen Arme ausübten, Dürftige und Verlegene unterstützten, Frieden und Eintracht unter Nachbarn zu befördern strebten, Kranke besuchten, der Wittwen und Waisen uns annähmen, und andere schon gedachte gute Handlungen verrichteten, statt eitlen Belustigungen und Zerstreuungen nachzugehen? Es läßt sich in der That auch nicht denken, daß auf dem Wege zur Seligkeit eine solche Verschiedenheit sinnlicher Genüsse sollte anzutreffen seyn, als die mehrsten Menschen sich erlauben; denn sonst müßte wirklich ein überzeugtes Gewissen, ein geängstigter Geist, ein zerschlagenes Herz, eine wiedergeborne Seele, mit einem Worte, die Unsterblichkeit
Wilhelm Penn: Ohne Kreuz keine Krone. Georg Uslar, Pyrmont 1826, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Penn_Ohne_Kreuz_keine_Krone.djvu/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)