den Achtungs- und Ehrenbezeigungen, die er erwartet, nicht genau genug nehme. So zerstört der Stolze alle natürlichen Bande der Verwandtschaft, indem er auf der einen Seite Pflicht und Schuldigkeit verachten lehret, und auf der andern Liebe in Furcht verwandelt, aus seiner Frau eine Magd und aus seinen Kindern und Dienstboten Sklaven macht.
§. 4. Auch ist der Stolze immer ein schlechter Nachbar, weil er ein Feind der Gastfreiheit ist. Er haßt alle Freundschaftsdienste, aus Furcht, sie erwiedern zu müssen, oder damit es nicht das Ansehen haben möge, daß er derselben bedürfe. Ueberdieß kann er sich nicht damit abgeben, weil sie seinem Hochmuthe zu viel Gleichheit und Vertraulichkeit zu verrathen scheinen. Mit Größern wetteifern und seines Gleichen verkleinern, ist sein Element; denn er ist zu neidisch, um Andern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; damit nicht das Lob, das er ihren Verdiensten ertheilen müßte, dasjenige, auf welches er – wiewohl ohne allen Grund – Anspruch macht, verdunkeln oder vermindern möge. Er befürchtet, was er wünschen sollte, nämlich: daß Andere Gutes thun möchten. Aber dabei läßt seine Bösartigkeit es nicht bewenden; er giebt auch den tugendhaften Handlungen Anderer schlechte Namen, weil er sich unfähig fühlt, sie nachzuahmen, und ihnen den guten Ruf derselben mißgönnt. Fehlt es ihm an einer Gelegenheit, Schaden zu thun, so weiß er sich eine zu schaffen. Man hat ihn entweder schlecht behandelt, oder etwas Böses gegen ihn beabsichtigt; da oder dort hat man ihn nicht gegrüßt, den Hut nicht vor ihm abgenommen, oder ihm die Achtung und Ehre nicht erwiesen, die, seiner Meinung nach,
Wilhelm Penn: Ohne Kreuz keine Krone. Georg Uslar, Pyrmont 1826, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Penn_Ohne_Kreuz_keine_Krone.djvu/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)