Aeußerste kommt, so zeigt er sich feige; aber grausam, sobald er siehet, daß er die Obermacht hat. Für das Elend hat er kein Mitgefühl; als wäre es unter seiner Würde, gefühlvoll zu seyn. Das Unglück eines Andern rührt ihn so wenig, als wenn er selbst kein Mensch wäre, oder als hielte er Mitleid für eine Sünde. Was nicht gerade ihn angehet, fesselt auch seine Aufmerksamkeit nicht. Er will sich über das Unglück Anderer keine unruhige Gedanken machen; ihm genügt die Ueberzeugung, daß sie es verdient haben, und er möchte es ihnen lieber gerade heraus sagen, daß es ihre eigene Schuld sei, als sich bereit finden lassen, sie zu bedauern oder ihnen zu helfen. Daher scheinen ihm Mitleid und Wohlthätigkeit eben so überflüssig zu seyn, als Demuth und Sanftmuth ihm verhaßt sind.
§. 3. Der Stolze ist sowohl ein schlechter Sohn, als schlechter Diener und Unterthan; er verachtet seine Eltern, seine Herren und seinen Fürsten. Sich zu unterwerfen, ist ihm unerträglich. Auch dünkt er sich zu weise, oder hält sich für zu alt, um sich vorschreiben zu lassen; als wenn Gehorsam Sklaverei wäre, und Freiheit darin bestände, daß man thun dürfe, was man wolle; welches jedoch alle Pflicht aufheben und alles Ansehn herabsetzen würde. – Ist der Stolze verheirathet, ist er Vater oder Herr; so ist es fast unmöglich, es bei ihm auszuhalten. Er ist so eigen und wunderlich, daß es wirklich eine Trübsal ist, mit ihm zu leben, weil es fast unmöglich ist, es ihm recht zu machen. Der kleinste Fehler in Betreff seiner Kleidung, Speise, Wohnung oder Aufwartung, bringt ihn ganz außer Fassung, besonders wenn er sich einbildet, daß man es mit
Wilhelm Penn: Ohne Kreuz keine Krone. Georg Uslar, Pyrmont 1826, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Penn_Ohne_Kreuz_keine_Krone.djvu/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)