Georg Curtius. Römische Sprache und Dichtung wurde in packender Weise von dem berühmten Altmeister Friedrich Ritschl behandelt, der bisweilen, sobald er unter dem staubaufwirbelnden Begrüßungsgetrampel der Hörer auf schlürfenden Hausschuhen das Katheder erstiegen hatte, ein wahres Feuerwerk von geistreichen und witzigen Bemerkungen auf sie niederprasseln ließ. In der deutschen Sprachlehre des lebhaften Friedrich Zarncke, der sich als Rektor in den Kriegsjahren durch seinen vaterländischen Schwung die begeisterte Verehrung der Studentenschaft erworben hatte, fand ich anheimelnde Anklänge an die Lehrweise meines früheren Schulrektors wieder. Für mein Lieblingsfach hielt ich mich an Georg[WS 1] Voigt, den feinsinnigen Schilderer der Wiederbelebung des klassischen Altertums. Seine durchdachten und formschönen Vorlesungen über griechische, römische und deutsche Geschichte, bei denen seine klangvolle Stimme den schweren ostpreußischen Tonfall siegreich überwand, bereiteten mir nach dem auf der Schule überstandenen freudlosen Geschichtsunterrichte wahrhaften Genuß. In seiner historischen Gesellschaft trat ich dem bei aller vornehmen Zurückhaltung höchst liebenswürdigen Gelehrten persönlich näher; noch zehn Jahre nachher hat er in seiner Vorlesung von der damals erschienenen Dresdner Verfassungsgeschichte „seines Freundes Richter“ gesprochen. Von den Aufgaben, die er seinen Schülern für Übungsarbeiten stellte, wählte ich eine aus der heimatlichen Geschichte: über die von den Landesfürsten bestrittene Reichsstandschaft der Bischöfe von Meißen. Die Arbeit ist später gedruckt erschienen, ohne freilich die Anfängerschaft ihres Verfassers verleugnen zu können. Aber ich glaubte wenigstens meine Vaterstadt von den beanspruchten Fürstenrechten des Krummstabes endgültig befreit zu haben. Selbstverständlich besuchte ich die Vorlesungen des ehrwürdigen, aber sehr trockenen Weltweisen Wilhelm Drobisch über Logik
und Psychologie. Goethe erzählt, es sei ihm wunderlich vorgekommen,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Gerog
Otto Richter: Lehrjahre eines Kopfarbeiters. Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung, Dresden 1925, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Richter_Lehrjahre_eines_Kopfarbeiters.pdf/70&oldid=- (Version vom 30.5.2024)