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Seite:Otto Herodes.djvu/105

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ist kaum zu entscheiden (s. freilich die ausdrückliche Charakterisierung der genannten Städte bei Josephus als Ἑλληνίδες πόλεις, obwohl auf einige der bei Josephus vorher genannten Orte auch diese Charakterisierung zuträfe, und die gleiche Bezeichnung, allerdings ohne Namensangaben, bei Nikolaos).

In Anbetracht dieser zahlreichen Gegner hat Nikolaos dem Archelaos geraten, nicht gegen alle anzukämpfen, sondern die griechischen Städte aufzugeben und sich mit seinem Bruder zu einigen (s. Nikol. a. e. a. O. und S. 176). Es ist sehr wohl möglich, daß Archelaos diesen Rat schließlich befolgt hat. Wir wissen jedenfalls nur von Verhandlungen vor Augustus, in denen Nikolaos die Sache seines Herrn gegenüber den Ansprüchen und Anschuldigungen der Salomepartei und der Juden vertreten hat (Joseph. bell. Iud. II 25–36. 80–92; ant. Iud. XVII 229–247. 304–316 und S. 176f.). Augustus hat sich von Anfang an dem Archelaos gnädig gezeigt (Joseph. bell. Iud. II 37; ant. Iud. XVII 248), aber auch von Anfang an scheint er die schließlich gefällte Entscheidung, die Aufhebung der jüdischen βασιλεία, d. h. Beseitigung der Einheit des jüdischen Reiches im Auge gehabt zu haben (Joseph. bell. Iud. II 38; ant. Iud. XVII 249. 303). Der jüdische Vasallenstaat ist eben der römischen Regierung zu mächtig erschienen, zumal er den Mittelpunkt der großen jüdischen Weltgemeinde darstellte. Die inneren Verhältnisse waren ferner besonders heikel, und offenbar glaubte man nur bei einer Persönlichkeit wie Herodes I. ohne Gefahr für sich den Einheitsstaat dulden zu können. Und so hat sich denn Augustus zur Teilung entschieden. Er hat nicht, wie allgemein angenommen wird, das Testament Herodes’ I. im wesentlichen bestätigt. Denn für Archelaos wurde ausdrücklich nur die Hälfte der alten βασιλεία bestimmt, nicht diese ganz, wie es sein Vater erhofft hatte. Es wurden ihm Judäa, Samaria und Idumäa, abgesehen von einigen der Salome zugedachten Ortschaften, zugewiesen; die andere Hälfte der βασιλεία wurde ihm ganz entzogen und seinen Brüdern, Herodes Antipas und Philippos, als selbständige Fürstentümer zugeteilt. Archelaos wurde ferner auch nicht βασιλεύς, sondern nur ἐθνάρχης, eine Würde, welche einst schon Hyrkanos II. bekleidet hatte, aber anders wie dieser Hyrkanos Ethnarch auch nur über den ihm zugefallenen Besitz; der jüdische Einheitsstaat war beseitigt (Joseph. bell. Iud. II 93–99; ant. Iud. XVII 317–321; s. speziell § 93: τὸ μὲν ἥμισυ τῆς βασιλείας Ἀρχελάῳ δίδωσι ἐθνάρχην προσειπών; § 317: Ἀρχέλαον βασιλέα μὲν οὐκ ἀποφαίνεται, τῆς δ’ ἡμίσεως χώρας ἥπερ Ἡρώδῃ ὑπετέλει ἐθνάρχην καθίσταται und vgl. hiermit die Bestimmungen des Testaments und die Forderungen des Archelaos [die Stellen auf S. 166 u. 177]. Matth. II 22 nennt fälschlich Archelaos βασιλεύς). Im Falle des Wohlverhaltens wurde freilich Archelaos der Königstitel für die Zukunft versprochen. Die ihm zugewiesene Hälfte des Landes war übrigens der bei weitem wertvollste Teil des alten Reiches, da sie, obwohl Augustus für die Landschaft Samaria wegen ihrer Treue während des letzten Aufstandes eine 25%ige Herabsetzung der Steuern verfügt hatte, doppelt so viel eintrug als die Gebiete der beiden Brüder zusammen, nämlich 600 Talente (Joseph. ant. Iud. XVII 320; im bell. Iud. [170] II 97 lesen wir allerdings nur von 400 Talenten, s. aber S. 91 *[WS 1]). Das Talent beträgt 10000 attische Drachmen, s. S. 91). Diese Entscheidung mag um die Mitte des J. 4 v. Chr. gefallen sein (s. S. 178).

Der Ethnarch dürfte nach ihr wohl schleunigst nach Hause zurückgekehrt sein, da hier inzwischen fast das ganze Reich in Aufruhr geraten war. Das Auftreten des römischen Procurators Sabinus, welcher entgegen den Weisungen des Varus die Auslieferung der Festungen und des königlichen Schatzes durchzusetzen versucht hatte, hatte schon bald nach der Abreise des Archelaos zu einem neuen, zweiten Aufstande der Juden geführt. Dieser war zwar von Varus schnell unterdrückt worden, aber das Verhalten des Sabinus, der die Juden rücksichtslos bedrückte, hatte beim Pfingstfest 4 v. Chr. den Aufstand um Jerusalem von neuem zum Ausbruch gebracht, und jetzt wurde das ganze Land, außer Samaria, von ihm ergriffen. Die jüdischen Truppen machten zum großen Teil mit den Aufständischen gemeinsame Sache; allenthalben erhoben sich Freischarenführer, und Sabinus mit seiner Schutztruppe wurde sogar in Jerusalem belagert[1]. Der Aufstand ist jedoch im wesentlichen noch vor der Rückkehr des Archelaos aus Rom von Varus mit blutiger Strenge niedergeworfen worden. Archelaos hatte nur noch gegen den einen Freischarenführer, Athronges, zu kämpfen; er hat sich persönlich an diesem Kampfe mit bestem Erfolg beteiligt, hat allerdings schließlich mit dem letzten Reste der Aufständischen paktiert (Joseph. bell. Iud. II 64. 66–79; ant. Iud. XVII 284. 286–298).

Als Ethnarch hat Archelaos ebenso wie sein Bruder Antipas als offiziellen Namen den Namen Herodes angenommen, was uns seine Münzen (Madden Coins of the Jews 114ff.) deutlich zeigen (auch Cass. Dio LV 27 nennt ihn Herodes, dagegen gebrauchen Josephus und Matthaeus [II 22] stets nur den alten Individualnamen. Aus der ganz verstümmelten Inschrift CIG III 4537 Add. sind, sollte sie sich wirklich auf Archelaos beziehen, keine Schlüsse über den Namen zu entnehmen. Über das prinzipiell Bedeutsame der Namensänderung s. S. 178).

Während seines Regiments ist der Ethnarch anscheinend von weiteren Aufständen seines Volkes verschont geblieben, obwohl dieses gegen ihn als den Schützling Roms nach den Ereignissen der letzten Monate, zu denen sein eigenes Vorgehen das Vorspiel gewesen war, von Anfang an besonders erbittert gewesen sein dürfte. Zur Erhaltung der Ruhe hat jedoch sicher sehr viel beigetragen, daß Varus nach Niederwerfung der großen Erhebung eine Legion als Besatzung in Jerusalem zurückgelassen hat (Joseph. bell. Iud. II 79; ant. Iud. XVII 299). Diese Stütze der


  1. Joseph. bell. Iud. II 18. 39–65; ant. Iud. XVII 222. 250–285. Für die ersten Ereignisse ist, was von manchen fehlerhafterweise nicht geschehen ist, allein die Darstellung der antiquitates in Betracht zu ziehen. Die abkürzende des bellum widerspricht sich und ist auch an sich weniger wahrscheinlich. Über die Vorgänge in dem auch aufständischen Idumäa unterrichtet dagegen das bellum allein richtig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. S. 91 * = Anmerkung Seite 91 Zeile 31
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 169–170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/105&oldid=- (Version vom 18.8.2016)