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Seite:Morgenblatt Briefe Dresdner Kunstausstellung 1807.djvu/6

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Briefe über die Dresdner Kunst-Ausstellung.

Zweyter Brief.

Ich habe den Dresdner Kunst-Ausstellungen sonst immer einen ungebührlichen Reichthum an Copien alter Gemählde nachsagen hören, allem dießmal konnte sie in dieser Hinsicht kein Vorwurf treffen. Doch war dieser Mangel durch eine beynahe zahllose Menge von Portraits ersetzt. Unter allen gefielen mir die von Gerhard v. Kügelgen. Bestimmt, hervortretend, und für jede Individualität äußerst sprechend und charakteristisch, waren sie getreu und prunklos dargestellt, und ihre Vorzüge durch den Contrast, den die vier interessanten Bilder (von Adam Müller, Ad. Oelenschläger, Fernow und Seume) gegen einander machten, ungemein erhöht. Durch ihre Anmuth reitzen die weiblichen Portraits von Grassi, besonders wenn ihm ein sprechendes Gesicht des Originals zu Hülfe kommt, jedes Auge. Die Gewänder sind überdacht geworfen und mit gebrochnen Farben geschmackvoll colorirt; allein wahre Lebenswärme, Ausdruck und Bestimmtheit der Form durch Schatten und Licht, und reine, unaffektirte Darstellung suchen Sie bey den meisten vergebens. Neben der Fürstin Bagration und der Fürstin Narischkin einer der schönsten Frauen in Rußland, hing der Prinz Louis von Preussen. Was ich Ihnen von Grassis weiblichen Bildern gesagt habe, gilt noch mehr von diesem. Ich habe den Prinzen öfters in der Nähe gesehen, aber von seinen festen, äußerst männlichen und charakteristischen Zügen fand ich nichts wieder. – Lebendig und sprechend trat das Portrait des Hofraths Böttiger von Graff hervor. Es ist bekannt, daß der edle Greis die Schwäche seiner Augen nur zu drückend empfindet, und daß man ihm in dieser Rücksicht das oft zu grelle Auftragen seines Colorits nachsehen muß; allein die genialische Kraft für diesen Zweig der Kunst, besonders für ausdrucksvolle, männliche Gesichter, scheint jede seiner Fingerspitzen zu beseelen und seinem Gefühle Augen zu geben. Ein andres Portrait desselben Meisters, das den Hofrath Mahlmann darstellt, war kalt und bleich gemahlt, und verlor dadurch noch sehr viel an Aehnlichkeit, daß es unter Lebensgröße gehalten war. Ein einziges, aber lebendig und geistreich aufgefaßtes Bild hatte Ferd. Hartmann ausgestellt. Von Rösler waren die Bilder von Tiedge und Goede und noch zwey andre mit lebensgroßen Figuren da. Es fehlte ihnen meist an Wärme des Fleisches und Lebendigkeit, und die Prätension, mit der die Frau v. der Recke, den rechten Arm auf ein Basrelief gestützt, in einer Gegend stand, wo man in der Ferne eine Pyramide etc. sah, würde dem Künstler nicht zu verzeihen seyn, wenn er sich hierbey nicht in die Launen des Originals hätte schicken müssen. Ein Bild von Fried. Matthäi, welches den Baron v. Schubart und seine Gemahlin lebensgroß darstellt, war sehr ausdrucksvoll gemahlt; aber daß die weibliche Figur am Arme der männlichen mühsam einen Absatz heraufstieg, erzeugte eine so widrige und karrikirte Stellung, daß es allen Beschauenden auffiel. Talent für die Portraitmahlerey

Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Briefe über die Dresdner Kunstaustellung. Cotta, Tübingen 1807, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Morgenblatt_Briefe_Dresdner_Kunstausstellung_1807.djvu/6&oldid=- (Version vom 26.1.2025)