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Seite:Meyers b7 s0310.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7

verschwindend gering ist gegen die Elektrizität, welche dem Prozeß der Wolkenbildung ihre Entstehung verdankt. Jedenfalls ist zuweilen die Elektrizitätsspannung so stark, daß die Spitzenwirkung, welche ein Blitzableiter ausübt, zur Neutralisierung der beiden entgegengesetzten Elektrizitäten nicht ausreicht. Aber wenn dann auch eine Entladung durch einen Blitz stattfindet, so wird doch nur der Blitzableiter, sobald derselbe gut angelegt ist, davon betroffen, und das Gebäude selbst wird um so mehr vor Zerstörung geschützt sein, je größer die Leitungsfähigkeit des Blitzableiters ist. Den bekannten Thatsachen gemäß kommt die verteilende Wirkung, welche eben geschildert wurde, nur dann merklich zum Vorschein, wenn der betreffende Teil der Erdstrecke, der noch von der Gewitterwolke beeinflußt werden kann, auf ausgedehnten Wasserstrecken ruht; dagegen kommen Blitzschläge in solchen Gegenden, wo das unterirdische Wasser sehr tief unter der Oberfläche liegt, entweder gar nicht oder wenigstens nur dann vor, wenn durch heftige Regengüsse eine leitende Verbindung mit dem Grundwasser schon hergestellt worden ist. Der Weg also, den ein Blitzschlag gewöhnlich nimmt, ist in der Regel schon durch die Terrainbeschaffenheit sowie durch die Leitungsstrecke zwischen dem unterirdischen Wasser und dem hervorragendsten Teil des oberirdischen Objekts vorgeschrieben. Von großer Wichtigkeit ist es, daß man sich stets davon überzeugen kann, ob sich der Blitzableiter in gutem Zustand befinde. Denn da das Metall, zumal das Eisen, der Zerstörung durch Atmosphärilien ausgesetzt ist, so gibt der Umstand, daß der Blitzableiter einmal tadellos war, keine Garantie, daß er nach einer gewissen Zeit noch in demselben guten Zustand sich befinde. Im J. 1869 wurde sogar in Oberleitensdorf beobachtet, daß der Blitz, welcher in die auf einer Schlosserei errichtete Auffangestange des Blitzableiters fuhr, 8 cm vom Erdboden von der starken Ableitungsstange absprang, die 60 cm dicke Mauer durchbohrte und durch den Arbeitssaal fuhr, ohne andre Spuren zu hinterlassen, als einige Arbeiter umzuwerfen. Das Abspringen des Blitzes von der vor kurzer Zeit mit großer Sorgfalt hergerichteten Leitung kann nur durch die in der Werkstätte aufgehäuften Eisenmassen hervorgebracht sein. Ein Mittel zu einer Prüfung der Blitzableiter liefert uns der galvanische Strom (s. Blitzableiter).

In neuerer Zeit ist vielfach konstatiert worden, daß die Blitzschläge in Gebäude gegen früher zugenommen haben; diese Zunahme der Blitzgefahr für Gebäude ist nach Holtz viel mehr tellurischen als meteorologischen Einflüssen unterworfen und kann durch vermehrte Entwaldung, durch Vermehrung der Eisenbahnen und Telegraphen, durch Entfernung einzelner hoher Bäume aus der nächsten Umgebung der Häuser und durch die Verwendung von eisernen Balken und Stützen beim Bau der Häuser erklärt werden. Die Zunahme der Blitzgefahr ist nach Holtz für Deutschland von 1854 bis 1880 gewachsen im Verhältnis von 1 : 2,75. Auf 1 Mill. Gebäude kommen durchschnittlich im Gothaischen 47 jährliche Blitzschläge, im Königreich Sachsen 322, in Westfalen 365, im Osnabrückschen 443. Die außerordentlich zahlreichen Blitzschläge in Schleswig-Holstein sind von Weber untersucht, und dabei hat sich herausgestellt, daß überragende Bäume und Gebäude nur einen geringen Schutz gewährten, und daß die Blitzgefahr nur durch einen in gutem Zustand sich befindenden Blitzableiter beseitigt werden konnte. Auch die seit 1874 in den lippeschen Staatsforsten angestellten Gewitterbeobachtungen und die Zahl der an Bäumen der Wälder konstatierten Blitzschläge lassen eine Zunahme der Blitzgefahr in den letzten Jahren erkennen. Diese Beobachtungen haben außerdem auch gezeigt, daß die Blitzgefahr für die einzelnen Bäume sehr verschieden ist. Setzt man die der Buche = 1, so ist die der Eiche = 34, die der andern Laubhölzer = 12 und die der Nadelhölzer = 9. Vgl. Kuhn, Angewandte Elektrizitätslehre (in Karstens „Allgemeiner Encyklopädie der Physik“, Leipz. 1865); Jelinek, Über die jährliche Verteilung der Gewittertage in Österreich und Ungarn (Sitzung der Wiener Akademie, Mai 1869); v. Bezold, Zur Gewitterkunde (in „Poggendorffs Annalen“, Bd. 136, 1869); Klein, Die geographische Verteilung der G. („Gäa“ 1870); Derselbe, Das G. (Graz 1871); Stricker, Der Blitz und seine Wirkungen (Berl. 1872); Holtz, Über die Zunahme der Blitzgefahr (Greifsw. 1880); Aßmann, Die G. in Mitteldeutschland (Halle 1885), und die Litteratur bei Blitzableiter.

Gewittervogel, s. Sturmvogel; auch s. v. w. Brachvogel.

Gewohnheit ist die durch öftere Wiederholung derselben Thätigkeit entstandene Disposition zu derselben, welche zur andern Natur geworden ist. Dieselbe ist als solche jederzeit natürlich, da sie auf einer natürlichen Ursache, der Verstärkung durch Wiederholung (Mechanismus), beruht; dagegen kann dieselbe, je nachdem die Thätigkeit selbst, die durch Wiederholung zur G. wird, der Natur (des Menschen, des Sittengesetzes, der Sitte) angemessen oder zuwider ist, eine naturgemäße oder naturwidrige (sittliche [gute] oder unsittliche [schlechte], gesittete [manierliche] oder ungesittete [unmanierliche]) G. sein. Erstreckt sich die G. auf eine Mehrheit von Individuen, so wird sie zum Brauch; dehnt sich dieselbe auf eine Folge von Generationen aus, so wird sie zum Herkommen; betrifft dieselbe die Anerkennung und Einhaltung gewisser Willensschranken (Rechte und Pflichten), die, einem Volk zur andern Natur geworden, weder der ausdrücklichen Kundmachung (ungeschriebenes Gesetz) noch der von außen kommenden Einschärfung (eingebornes Gesetz) bedarf, so heißt sie Gewohnheitsrecht (s. d.), welches als solches dem Gesetzesrecht (dem geschriebenen) und dem Juristenrecht (gelehrten Recht) gegenübersteht.

Gewohnheitsrecht, im weitern Sinn s. v. w. ungeschriebenes Recht oder der Inbegriff derjenigen Rechtsnormen, welche ohne das ausdrückliche Gebot der gesetzgebenden Gewalt bestehen; im engern, eigentlichen Sinn aber die Gesamtheit solcher Rechtsnormen, welche unmittelbar in dem Bewußtsein eines ganzen Volkes leben und darum als direkt aus dessen Willen herfließend anzusehen sind. Unter Gewohnheit versteht man hier im allgemeinen die aus mehrmaligen und längere Zeit hindurch geübten Handlungen hervorgehende Gleichförmigkeit derselben. Diejenigen solcher Gewohnheiten nun, welche eine bindende Rechtsnorm zur Folge haben, heißen Rechtsgewohnheiten, die auf diesem Wege gebildete Rechtsnorm selbst aber ist ein G. Das G. ist darum rechtsverbindlich, weil es auf der allgemeinen Rechtsüberzeugung beruht, deren Geltendmachung der Richter sich ebensowenig entziehen kann wie der Anwendung eines logischen Gesetzes. Die wiederholte Übung ist nur ein Zeichen der Existenz eines Gewohnheitsrechts. Im gemeinen Recht ist die Eigenschaft der Rechtsgewohnheiten als Rechtsquelle ausdrücklich anerkannt und ihnen die Wirksamkeit und Kraft der von der bestehenden gesetzgebenden Gewalt ausgegangenen gesetzlichen Vorschriften (vis legis) beigelegt. Man teilt die Gewohnheit ein in einführende

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s0310.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2022)