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MKL1888:Brachvogel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Brachvogel“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Brachvogel“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 3 (1886), Seite 299300
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Brachvogel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 299–300. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Brachvogel (Version vom 06.11.2022)

[299] Brachvogel (Brachschnepfe, Numenius L.), Vögelgattung aus der Ordnung der Stelzvögel und der Familie der Schnepfen (Scolopacidae), schlank gebaute Vögel mit langem, dünnem Hals, kleinem Kopf, sehr langem, nicht gebogenem, an der Wurzel hohem, weichem, an der Spitze hartem Schnabel, dessen Oberteil etwas länger als der untere und ein wenig über ihn herabgebogen ist, vierzehigen schlanken und hohen, bis weit über die Ferse hinauf nackten Füßen und deutlicher Spannhaut zwischen den Zehen, großen, spitzen Flügeln und mittellangem, abgerundetem Schwanz. Der große B. (Feld-, Doppelschnepfe, Brachhuhn, Regenvogel, Geißvogel, Gewittervogel, N. arquatus L.), 75 cm lang, 125 cm breit, oberseits braun mit rostgelben Federrändern, am Scheitel rostgelb mit schwarzbraunen Flecken, am Unterrücken weiß und wie am rostgelblichen Unterkörper braun längsgefleckt, Schwingen schwarz und weiß, Steuerfedern weiß, schwarzbraun gebändert; das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß grau. Er findet sich im Norden Europas, Asiens und Amerikas, durchreist im Winter Afrika und Indien, geht im April durch Deutschland, kehrt Ende Juli zurück und zieht im September südlich. Er lebt an der Küste und an Binnengewässern, besucht auch Felder und das dürrste Land, ist sehr gesellig, scheu, vorsichtig und wachsam, so daß sich gern viele minder kluge Strandvögel um ihn versammeln. Er geht mit großen Schritten, watet, schwimmt und fliegt geschickt, frißt Kerbtiere, Muscheln, Krebstiere, Fische, Lurche, auch Beeren und brütet hauptsächlich in der Tundra, vereinzelt auch in Norddeutschland. Das Nest steht im Moos oder Riedgras und enthält vier ölgrüne, dunkelgrau und braun gefleckte Eier (s. Tafel „Eier II“, Fig. 10), welche von beiden Eltern ausgebrütet werden. Fleisch und Eier sind schmackhaft und werden gesucht. Er läßt sich leicht zähmen und hält sich gut in der Gefangenschaft.

Brachvogel, 1) Albert Emil, dramat. Dichter und Romanschriftsteller, geb. 29. April 1824 zu Breslau, hatte infolge des frühzeitigen Todes seines Vaters und des gemütskranken Zustandes seiner Mutter eine sehr trübe Jugend. Seine Schulbildung erhielt er auf dem Magdalenen-Gymnasium seiner Vaterstadt, doch war seine geistige Entwickelung eine ziemlich langsame. Um seinen Hang zur Schauspielkunst zu unterdrücken, brachte man ihn, weil er Talent zum Zeichnen und Modellieren zeigte, zu einem Kupferstecher; doch verließ B. diesen nach dem Tod seiner Mutter und folgte 1845 seinem Drang, Schauspieler zu werden. Sein erster Versuch (in Wien) fiel indessen so unglücklich aus, daß er der Bühne sofort für immer entsagte und sich nun ausschließlich der Litteratur widmete. Durch fleißiges Selbststudium und dreijährigen Besuch der Universität zu Breslau, wo er Geschichte, Ästhetik, Litteratur und Philosophie hörte, suchte er seine wissenschaftliche Bildung zu ergänzen. Im J. 1848 begab er sich nach Berlin, wo er sich verheiratete, kehrte aber bald wieder nach Schlesien zurück und ließ sich hier zur Stärkung seiner gestörten Gesundheit in einem Dörfchen des Riesengebirges nieder. Anfangs 1854 nötigte ihn der Verlust seines Vermögens, Berlin wieder aufzusuchen, wo er Sekretär des Krollschen Theaters wurde, in welcher Stellung er den Grund zu seiner Bühnenerfahrung legte. Nach dem Falliment der damaligen Direktion fand B. eine Anstellung im telegraphischen Büreau der „Nationalzeitung“, die ihm vielfach Muße zu dichterischen Arbeiten ließ, gab dieselbe jedoch 1855 auf und lebte von nun an in freier litterarischer Thätigkeit in Berlin, bis er 1870 nach Weißenfels übersiedelte. Später wendete er sich wieder nach Berlin zurück, wo er 27. Nov. 1878 starb. B. war ein Talent von bedeutender Erfindungsgabe und Gestaltungskraft, aber ohne künstlerische Durchbildung, daher seine Dichtungen immer mehr durch Einzelheiten erfreuen, als in ihrer Totalität befriedigen. Eine falsche Reflexionsneigung und ein Zug zum Grellen, Abenteuerlichen, Phantastischen paarten sich bei ihm mit wirklicher Darstellungskraft und entschiedenem theatralischen Talent. Bereits seit 1850 hatte er mehrere Theaterstücke („Jean Favard“, „Aham, der Arzt von Granada“ etc.) verfaßt, ohne einen Erfolg damit zu erzielen; 1856 brachte er seinen „Narziß“ (Leipz. 1857; 6. Aufl., Jena 1882) zur Aufführung, der einen der größten Bühnenerfolge der neuern Zeit hatte und mit Einem Schlag Brachvogels Ruf als Dramendichter begründete. Die Handlung beruhte zwar auf unhistorischen und schlimmer auf psychologisch ungesunden Voraussetzungen und bizarren Prämissen; doch war sie theatralisch wirksam erfunden, bis zur Schlußkatastrophe gesteigert, dabei die Sprache der Leidenschaft stellenweise von so echter Kraft, daß die Wirkung gerechtfertigt war. Auch in seinen folgenden Dramen: „Adalbert vom Babanberge“ (1858), dem poetisch gehaltvollsten seiner Stücke, „Mons de Caus“ (1859), der Tragödie des Genius, der seiner Zeit vorauseilt und unbegriffen an dem Undank der Mitwelt zu Grunde geht, „Der Usurpator“ (1860), „Prinzessin Montpensier“ (1865), dem Tendenzstück „Der Sohn des Wucherers“ (1863), dem Schauspiel „Die Harfenschule“ (1869) und „Hogarth“ (1870), bekundete B. ein großes Geschick für theatralische Effekte, ohne gleichgroße Erfolge erzielen zu können. Brachvogels Romane beginnen großenteils mit phantasievollen Anläufen, mischen aber von vornherein der Erfindung wüste, ungesunde Elemente und wirr abschweifende, zumeist unreife Betrachtungen ein, entbehren auch mehr und mehr der künstlerischen Durchführung. Wir nennen: „Friedemann Bach“ (Berl. 1858); „Benoni“ (Leipz. 1860); „Der Trödler“ (das. 1862); „Ein neuer Falstaff“ (das. 1863); „Schubart und seine Zeitgenossen“ (das. 1864); „Beaumarchais“ (das. 1865); „William Hogarth“ (Berl. 1866); „Hamlet“ (Bresl. 1867); „Der blaue Kavalier“ (das. 1868); „Der deutsche Michael“ (das. 1868); „Die Grafen Barfuß“ (Leipz. 1869); „Ludwig XIV., oder die Komödie des Lebens“ (Berl. 1870); „Der fliegende Holländer“ (das. 1871); „Glancarty“ (Hannov. 1871), „Das Rätsel von Hildburghausen“ (Berl. 1871); „Der Fels von Erz“ (das. 1872); „Ritter Lupold von Wedels Abenteuer“ (das. 1874); „Der Schlüssel“ (Hannov. 1875); „Simon Spira und sein Sohn“ (Berl. 1876); „Des Mißtrauens Opfer“ (das. 1876); „Parcival“ (das. 1878). Der größere Teil der letztgenannten erhob sich wenig mehr über das Niveau der Leihbibliothekenbelletristik. B. schrieb außerdem: „Lieder und lyrische Dichtungen“ (Berl. 1861; 2. Aufl., Leipz. 1869); „Aus dem Mittelalter“ (Jena 1862, 2 Bde.); „Historische Novellen“ (Leipz. 1863–65, 4 Bde.); „Neue Novellen“ (Bresl. 1867, 2 Bde.); „Aus drei Jahrhunderten; Novellen“ (Schwerin 1870, 2 Bde.); „Theatralische Studien“ (Jena 1863); „Die Männer der neuen deutschen Zeit“ (Hannov. 1872–1875, [300] Biographien). Zuletzt erschien von ihm eine „Geschichte des königlichen Theaters zu Berlin“ (Berl. 1877–78, 2 Bde.). Seine „Gesammelten Romane, Novellen und Dramen“ gab Max Ring heraus (Jena 1879–83, 10 Bde.).

2) Udo, Schriftsteller, geb. 1835 zu Herren-Grebin bei Danzig, studierte in Jena und Breslau Jurisprudenz und begab sich 1858 nach Wien, wo er einen Band „Jugendgedichte“ (1860) herausgab. In den Jahren 1860–66 lebte er als Beamter einer großen Privatgesellschaft in Ungarn und wandte sich nach deren Auflösung nach Nordamerika, wo er 1867 in die Redaktion der „Westlichen Post“ in St. Louis eintrat und später die Redaktion des „New Yorker belletristischen Journals“ übernahm. B. ist auch Mitarbeiter an verschiedenen Zeitschriften Deutschlands und ein namhafter Übersetzer der Dichtungen Bret Hartes u. a. Selbständig erschienen von ihm: „Bret Harte“ (Berl. 1882) und „Das Theißland und seine Dichter“ (New York 1882).