Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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Im Ganzen ist Peking gut gebaut. Die Hauptstraßen, welche die verschiedenen Thore mit einander verbinden, sind mindestens 100 Fuß breit, mehre 1 bis 2 Stunden lang; jedoch nicht gepflastert: ein Uebelstand, der bei kothigem Wetter äußerst lästig ist und im trocknen, heißen Sommer durch fleißiges Sprengen mit Wasser gemindert wird. Kutschen sind hier und in ganz China nicht gebräuchlich. Dagegen wimmeln die Straßen von Sänftenträgern und Leuten, die ihre Waaren, an den Enden langer Stangen, zum Verkauf tragen und den Fußgänger fortwährend zum Ausweichen nöthigen. Kommt, wie dies häufig der Fall ist, ein Braut- oder Trauerzug, oder der eines hohen Staatsbeamten dazu, so wird auch die breiteste Straße gedrängt voll, und wer den entgegengesetzten Weg will, dem bleibt keine Wahl, als umzukehren, oder eine Seitenstraße einzuschlagen. Die Leichen werden in buntlackirten, viereckigen Kästen getragen, über welchen ein Baldachin mit den schreiendsten Farben prangt. Jedem Leichenzug gehen eine Menge gedungene Leute mit vielfarbigen Fahnen voraus. Unmittelbar hinter dem Sarge folgen die weiblichen Verwandten des Verstorbenen in weißen Palankins. Weiß ist hier die Farbe der Trauer: schwarz die der Freude.
Die Hauptstraßen bestehen großentheils aus öffentlichen Gebäuden, deren Zahl Legion ist, und die sich alle an ihrem gelben Anstrich erkennen lassen. Gelb ist nämlich die ausschließliche Farbe des Kaisers, des Staats. Die Dächer sind gelb lackirt und überdieß auf die wunderlichste Art bemalt. Im Sonnenschein glänzen diese Gebäude wie Gold und ihre oft sehr langen Fronten geben ihnen ein prächtiges Ansehen. Mehre sind so groß, wie kleine Städte. Die größten sind die kaiserlichen Magazine zur Versorgung der Hauptstadt mit Getreide und Reis in Zeit der Noth oder der Theurung. Die Masse der hier aufgehäuften, sorgfältig unterhaltenen Vorräthe grenzt an das Fabelhafte. – Die Polizei ist in Peking, wie in allen chinesischen Städten, sehr wirksam, und Mord und Räubereien, wie sie z. B. in London zur Tagesordnung gehören, sind folglich Seltenheiten. 20,000 Polizeidiener sind beständig wachsam. Ihre Waffe ist eine lange Peitsche, die sie bei jedem Anlaß rücksichtslos gegen das Volk handhaben. Dieses Instrument, das hundertfache Abkasten der Stände, der Schulplan endlich, oder das chinesische Reglement für öffentlichen Unterricht, – das sind die Hauptschlüssel zum Canon chinesischer Staatsweisheit.
Die Tartaren-Stadt ist von der chinesischen durch eine Mauer geschieden und wird durch besondere Thore geschlossen. – Hier wohnen Alle, welche mit dem kais. Hofe durch Gewerbe, oder Amt in Beziehung stehen; hier haben auch die chinesischen Missionen ihren Sitz mit Kapellen für griechische und katholische Christen; hier sind Buchläden, Buchdruckereien und die vorzüglichsten wissenschaftlichen Anstalten des Reichs: Hochschule, Sternwarte, Seminar etc. Die Bevölkerung ist fast ganz tartarisch. Muhamedaner, die sich durch ihre rothen Mützen unterscheiden, sind zahlreich. Die tartar. Frauen sind schon durch ihren festen, raschen Gang und ihre Füße von natürlicher Form und Größe kenntlich. Häufig sieht man die vornehmsten Damen neben ihren Gatten zu Pferde. Chinesische Handwerksleute, welche Arbeit suchen, und Kleinkrämer, die ihre Waaren feilbieten, sind übrigens hier so lästig, als in der Chinesenstadt. Alle Hauptstraßen haben feste Thore an beiden Enden, die von ihren Hütern bei den geringsten
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/141&oldid=- (Version vom 2.2.2025)