Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
|
Wänden kleben, hinab zu steigen in die schauerliche Tiefe, in der die Arbeiter, von oben gesehen, klein wie Ameisen erscheinen. Unglücksfälle sind nicht selten, und erst vor Kurzem ereignete sich der Fall, daß ein junger Mann, schwindelich geworden, stürzte, und noch zwei seiner Begleiter, die ihn halten wollten, mit sich hinab in den schreckenvollen Tod zog.
Es ist ein großartiger Scenenwechsel, sich aus der Tiefe eines brittischen Schachtes zu versetzen auf das hohe Gestade des Pontus Euxinus, dessen Fluthen die Wiege des Menschengeschlechts bespülen, die Sitze der ersten bekannten Völker, den Schauplatz unserer ältesten Geschichte. Lange waren diese Gegenden vergessen. Seitdem die Kultur der Griechen, welche dort überall als Erbauer von Städten und Gründer von Staaten auftraten, untergegangen war, seit dem Einsturz des römischen Ostreichs lagen sie begraben in der Nacht türkischer Barbarei. Erst Peter des Großen überschauendes Auge erkannte die naturgemäße, hohe Bestimmung dieser Länder wieder, und in seinen Plänen für Rußland’s Größe, das Erbe seiner Nachfolger, zeichnete er ihr künftiges Schicksal ein. Ihre Losreißung vom türkischen Joche war bis auf den heutigen Tag das unablässige Streben Rußland’s und der geheime Beweggrund zu jedem neuen Kriege. Wir wissen den Erfolg dieses Strebens. Das bereits Errungene ist so groß, daß der Erwerb des Uebrigen nicht mehr bezweifelt werden darf. Schon ist das schwarze Meer zum Hauptschauplatz der Seemacht Rußland’s erhoben, und seine gewaltigen Kriegsflotten wiegen sich auf des Pontus Fluthen als alleinige Herren. Bald werden auch russische Adler auf allen Theilen seines Gestades horsten.
Ein Blick auf die Karte zeigt die ungeheure Wichtigkeit dieser Länder, an deren Besitz sich nicht zum erstenmal die Weltherrschaft geknüpft hat. Große Ströme bewässern sie und bieten dem Verkehr die ausgedehntesten und bequemsten Pfade dar. Der König der europäischen Flüsse, die Donau, führt den Handel zweier Welttheile auf die kürzeste, diametrische Bahn zurück, von der ihn nur türkische Barbarei und Raubsucht zu vertreiben fähig waren. Dniester, Bug, Dniepr und Don, durch Kanäle mit der Newa und Düna verbunden, vereinigen das
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/121&oldid=- (Version vom 23.9.2024)