Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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zurück. Jahre vergingen hierauf ohne Kunde von dem nach Palästina Gezogenen; endlich kam sie; aber welche für die arme Elise! – Ihr Bräutigam schrieb aus Venedig: er kehre heim als Gatte einer schönen und reichen Griechin! Der Betrogenen brach das Herz und sie versank in Schwermuth; und der über die Schandthat empörte ältere Bruder forderte den Pflichtvergessenen bei seiner Heimkehr zum Zweikampf auf. Schon floß das Blut beider aus tiefen Wunden; da warf sich die verlassene Jungfrau zwischen sie und stiftete mit himmlischer Milde Versöhnung. Hierauf nahm sie den Schleier. – Todt und einsam blieb’s fortan auf Liebenstein; aber auf Sternfels hörte der Lärm des frohen Lebens nicht auf. Aus Nah und Ferne kamen die Ritter und Grafen, um der Schönheit und Anmuth der jungen Griechin zu huldigen. Ihr Gemahl ahndete nichts Arges: aber zu des Bruders Ohren fanden schändliche Gerüchte den Weg. Es ward nicht schwer für diesen, die Wahrheit zu erforschen: die Schande seines Bruders war nur zu gewiß. Noch ehe er aber diesen überzeugen konnte von seinem Unglück, war das verbrecherische Weib mit einem ihrer fremden Buhlen entflohn und verschwunden. – Die beiden Ritter gelobten sich nun, ein eheloses Leben zu führen und dem Kloster in der Tiefe, in dem die arme Elise als Nonne verkümmerte, all ihre Habe zu vermachen. So erlosch ihr Stamm mit ihrem Tode, und unter dem Zahn der Zeit verfielen der Brüder unbewohnte Burgen.
Rouen, die alte Capitale der Normandie, jetzt der Hauptort des Departements der untern Seine, liegt in einer niedrigen, sehr fruchtbaren Gegend an der hier breiten und tiefen, schon für kleinere Seeschiffe fahrbaren Seine, ohngefähr 5 Stunden von deren Mündung und 17 Meilen von Paris. Sie hat 12000 Häuser und etwa 100000 Bewohner. Nach Paris, Lyon und Marseille ist sie die größte und volkreichste Stadt Frankreichs.
Geschichtliche Erwähnung von ihr thut schon Ptolemäus, der im zweiten Jahrhundert lebte. Er nennt sie Rotomagus, Hauptstadt der Volcassen. Nach der Unterjochung dieser Völkerschaft durch die Römer, machten diese den Ort zu einem Waffenplatz. Er muß ansehnlich gewesen seyn, wie die aufgefundenen römischen Bauwerke beweisen.
Die Franken folgten den Römern in der Herrschaft, jenen die seeräuberischen Dänen (Normänner), welche 841 Rouen einnahmen, plünderten und im Lande sich festsetzten. Nach ihnen änderte die Provinz ihren frühern Namen (Neustria) und hieß fortan die Normandie.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/120&oldid=- (Version vom 4.8.2024)