Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band | |
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sind mit Maisfeldern, Maulbeerbäumen, (die Seide der Gegend ist berühmt!) und etwas Wein bewachsen. Höher hinan wechseln nackte Striche und furchtbar zerrissene Felsenlandschaften mit reichen Ebenen und köstlichen Thälern, wo Oliven, Wein, Obst und Hülsenfrüchte vortrefflich gedeihen. – Diese, das eigentliche Bergland, sind von den Drusen bewohnt, ein isolirter, merkwürdiger Volksstamm, der 40,000 waffenfähige Männer zählt, sich nie mit einem andern Volke mischte und bis zum vorigen Jahre, wo er von den Aegyptern unterjocht und entwaffnet wurde, einen hohen Grad von Unabhängigkeit unter eigenen, der Pforte lehnpflichtigen Fürsten behauptete. Die Drusen bewahren eigene Tracht, Sitte, Gebräuche, Sprache und Religion. In die Geheimnisse der letztern sind nur Wenige geweiht. Raubsucht, Wildheit, Treulosigkeit, Tapferkeit, sind die Grundzüge ihres Charakters; – doch achten sie die Rechte der Gastfreundschaft und des Asyls. Nie verriethen sie Den, der bei ihnen Zuflucht suchte.
Von den im Alterthum so berühmten Cedernwäldern ist nur ein kleiner Hain übrig, der am Fuße des höchsten Gebirgskamms in einem tiefen Felsenthale steht. Er zählt nicht über 200 Stämme, von denen aber viele 15 Fuß Durchmesser haben und ein mehr als 1000jähriges Alter verrathen.
Gern sucht der Mensch verborgene oder geheimnißvolle Ursachen zu seinen Uebeln; gern bürdet er sie den Beschlüssen eines blinden Schicksals auf oder erklärt ihre Nothwendigkeit aus der Unvollkommenheit alles irdischen Glücks. Thörigtes Beginnen! Gleich der Welt, von der er einen Theil ausmacht, wird der Mensch durch natürliche, in ihrem Laufe regelmäßige, in ihren Wirkungen genau zusammenhängende, in ihrem Wesen unbewegliche Gesetze regiert. Diese Gesetze sind die gemeinschaftliche Quelle alles Bösen und Guten. Sie sind nicht fern in den Gestirnen geschrieben, oder in des Fatums verschlossenen Büchern. Mit der Natur irdischer Wesen innig verbunden, Grundbedingung ihres Daseyns, sind sie zu allen Zeiten, an allen Orten dem Menschen gegenwärtig; sie wirken auf seine Sinne, warnen seinen Verstand und führen Strafe und Belohnung für jede Handlung mit sich. Gleich den Gesetzen der Bewegung in der physischen Welt, sind sie die einfachen Basen für Alles, was in der moralischen Welt vorgeht.
So ist der Stand des Menschen beschaffen; ob Individuum, oder Staat, – es ist eins. Alle sind die Werkmeister ihres Schicksals; die Einzelnen, wie die Völker. Jede Nation hat den Umsturz oder das Emporkommen ihres Glücke selbst geschaffen, und wenn die meisten ein gefoltertes Leben führen und sich in einen Abgrund von Irrthümern
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1835, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_2._Band_6._Auflage_1835.djvu/205&oldid=- (Version vom 27.6.2024)