Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band | |
|
entspringenden 14 warmen Quellen) durch Kanäle geführt wird, welche alle Straßen durchlaufen. Jeder Badegast erhält mit seiner Wohnung den Schlüssel zu einer dieser Badezellen, deren er allein sich bedienen darf; eine Annehmlichkeit, die man in wenig andern Bädern findet.
Das imposanteste und prachtvollste unter den zahlreichen, dem öffentlichen Vergnügen gewidmeten Gebäuden, die schönste Zierde Wisbadens, ist der neue Kursaal, von dem ein ganz gelungenes Bild uns zur Seite liegt. Kein Brunnenort Deutschlands besitzt ein Gebäude, das jenem zu vergleichen wäre! Es besteht aus einem 150 Fuß tiefen Hauptgebäude mit herrlichem Portikus, an das zwei mit Colonnaden geschmückte Flügel stoßen, welche in Pavillons sich endigen. Die Fronte hat eine Länge von 360 Fuß. Sämmtliche Säulen und architektonische Verzierungen, im Innern wie im Aeußern, sind von inländischem, grauem Marmor. Im Hauptgebäude, und es der Länge nach durchschneidend, befindet sich der große Saal, mit Marmor getäfelt und mit Stukkatur prachtvoll verziert. An beiden Wänden desselben laufen Gallerien hin, von vierzig Marmorsäulen, jede über 30 Fuß hoch, getragen, zwischen welchen eben so viele argantische Lampen mit Reflektoren das glänzendste Licht verbreiten. Götterbildsäulen aus Marmor stehen in Nischen unter den Gallerien. – Tausend Personen finden in diesem Raume, der nach zwei Seiten hin durch große Portalpforten in den Park (die sogenannte neue Anlage) welcher das Kurgebäude umgibt, sich öffnet, bequem Plaz, und es ist nichts Ungewöhnliches an schönen Sommertagen hier eine Wirthstafel von 600 Couverten völlig besetzt anzutreffen. Der eigentlichen Badewirthschaften sind jetzt etwa 25, jede mit 25 bis 30 Badestellen; die berühmteste ist das Hotel zu den vier Jahrszeiten.
Die nächste Umgebung Wisbadens ist anmuthig, mit stillen Gründen, blumigen Auen und geschmackvoll angelegten Gärten und Spaziergängen. Aber einen unendlichen Reichthum an großen und schönen Naturscenen hat die weiter umliegende Gegend. Wir nennen als interessanteste Parthien die Fasanerie, von einem Walde umgeben, in einem freundlichen Thale; Klarenthal, ein ehemaliges Kloster mit römischen Grabmälern in der Nähe; die malerischen Burgruinen des uralten Sonnenberg; das Adamsthal mit seiner Mustermeierei, den Geisberg und das hochgelegene Jagdschloß, die Platte, mit den reichsten Aussichten in Deutschland; Bieberich endlich, nahe am Rhein, die Residenz des Nassauer Herzogs, eine der prachtvollsten Fürstenwohnungen, und mit einer Umgebung, in der Natur, Kunst und Luxus sich die Hand boten, um ein Paradies zu erschaffen, ein Paradies – um das ich den jetzigen Besitzer nicht beneide.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1835, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_2._Band_6._Auflage_1835.djvu/184&oldid=- (Version vom 27.6.2024)