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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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Was knüpft sich an diese Nomenclatur, zu der drei Welttheile steuerten? Das Andenken an 5 Millionen Erschlagener, welche die Blüthe der Völker waren, die Erinnerung an die Brandstätten von mehr als tausend Städten und Dörfern und an Jammer und Elend ohne Maß und Ende. Würde die Summe der Thränen, welche jene Namen erpreßten, in eine Fluth vereinigt, sie würde diesen Steinkoloß zertrümmern, den der Fürst der Schlachten für die Ewigkeit gebaut hat.
Das Unglück der Erde während der Herrschaft eines Eroberers ist stets gewesen, daß Einer den Krieg beschließen konnte, welchen viele Millionen auszustehen hatten. – Für Jetzt ist im europäischen Herrscherkreise doch mindestens so viel gewonnen, daß mehre für Krieg stimmen müssen, ehe er möglich wird. Eine dauerhaftere Bürgschaft des Friedens wird aber durch die neuen Kulturelemente, Eisenbahnen und Dampfschiffe, erlangt wer den, welche die Völker mit einander bekannt machen, Freundschaften zwischen ihnen stiften und die dummen Begriffe von erblichen Nationalfeindschaften in die Rumpelkammer verweisen.
Ja, es tagt eine bessere Zeit. Die Völker werden allmählich klüger und sie achten die schönen Fruchtkörbe des Friedens höher, als Lorbeerkränze mit Pechkränzen erkauft. Sie fangen an, zu erkennen, daß eine Staatserhöhung für sie gemeinlich auf eine Kreuzeserhöhung hinausläuft und daß mit der Größe der Adlersklauen auch die Gefräßigkeit des Raubthiers wächst. Sie sehen auf die kleinen Republiken und manchen Staat hin, der nur wenige Quadratmeilen zählt, und fragen sich, ob denn das Leichter- und Besser-Regiertwerden mit der Zahl der Millionen wächst, und ob ein Fürstenarm um so beglückender das Scepter führe, je länger er geworden? Und die Fürsten selbst – auch sie sind von den mildern und vernünftigern Begriffen der Zeit besiegt worden, auch sie sind, der Mehrzahl nach, zur Einsicht gekommen, daß in der Mordlotterie des Kriegs für eingesetztes Gut und Blut und Volksglück fast immer blos Nieten gezogen werden und daß selbst im glücklichsten Fall der Gewinn des Einsatzes nicht werth sey. Sie sehen ein, und was mehr sagen will, fangen an, es offen zu bekennen: daß eine weise, die Bedürfnisse der Zeit befriedigende und fördernde Gesetzgebung im Frieden die Völker höher entwickelt, als eine Reihe von Schlachtenjahren, und jeder Fürst – als Gesetzgeber und als Regent – im Stande ist, sein Volk größer zu machen und seine Macht zu potenziren, ohne nöthig zu haben, ein anderes anzuketten. – Die Beweise liegen vor Augen. Der Orient lebt in ewigem Kriege und ist in ewiger Ohnmacht, Armuth und Barbarei, und dreißig Jahre Friede haben der Macht und Kraft Frankreichs eine größere Entwickelung gegeben, als vorhergegangene dreißig Jahre voller Eroberungen und Siege.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/87&oldid=- (Version vom 3.3.2025)