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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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Strande. Die Kolosse in seinem Rücken, unter denen der Snowdon alle überragt, scheinen dem Auge alle Geheimnisse des wunderbaren Landes verschließen zu wollen; nur nordwärts, nach dem Meere zu, ist die Aussicht weit geöffnet, und westwärts schweift sie über die grünen Hügel von Anglesey, welche jenseits der Meerenge von Menay liegen.
Bangor ist als Stadt unbedeutend; aber die Sehenswürdigkeiten in seiner Nähe machen es berühmt. Die Kettenbrücke, welche nach Anglesey führt, ist die größte in der Welt; die nahen Burgen Penrhyn-Castle und Conway-Castle ziehen eine Menge Reisende herbei; aber merkwürdiger als alles Dieses ist ein Schieferbruch, der 3000 Arbeiter beschäftigt, 500 Seeschiffe befrachtet und seinen Eigenthümer zum Krösus gemacht hat. Er bringt nicht weniger als eine Million Gulden reine Revenüe ein, folglich mehr als manches Reich seinem Könige.
Ein romantischer Weg, an dem Rande eines bewaldeten Bergstroms hin, führt nach diesem großartigen Werke, bei dem man inne wird, wie britischer Unternehmungsgeist es versteht, die unscheinbarsten Gaben der Natur mit den kolossalsten Resultaten auszubeuten und eine Steingrube in eine Goldgrube zu verwandeln, einträglicher wie keine auf der ganzen Erde. Schon von weitem hat der Anblick etwas so Ungeheueres, daß man sich zweifelnd fragt, ob’s Menschenwerk sey, oder das der schaffenden Natur. In der Länge einer halben Stunde ragt ein schwarzer Bergrücken aus dem Hochwald; baumlos und finster, ähnlich jenen Basaltrücken, welche in dem Innern alter Vulkangebirge zuweilen die Kratergruppen umgürten. Bei halbstündiger Entfernung hört man das unaufhörliche Krachen der Pulverexplosionen im Bruche, welches sich, ähnlich dem Donner, zwischen den hohen, durch enge Thäler getrennten Bergen, fortpflanzt. Näher kommend, scheiden sich die Haldenzüge in sechs verschiedene Terrassen ab, die über einander emporsteigen. Auf jeder gewahrt man ein Gewimmel und Durcheinander von Menschen und Maschinen, Gerüsten und Leitern, Prozessionen von an einander hängenden Wagen, die auf Eisenbahnen fortrollen, von Krahnen, die Lasten hinaufziehen oder herablassen, von Wasserleitungen auf hohen Bögen und von unzähligen kleinen Gebäuden und Hütten. Am Fuße des Bergs münden Eisenbahnen auf stark geneigten Flächen aus und einige durch den Berg zur untersten Terrasse führende Stollen, deren Sohlen mit Schienen belegt sind. Auf denselben gleiten die gebrochenen Schiefer auf Wagen hinab zu der Haupteisenbahn, welche nach dem für den Schiefertransport erbauten Hafen führt, von dem aus die Versendungen in alle Weltgegenden geschehen. Einer jener Stollen dient zur Auffahrt für die Arbeiter und für die Fremden, welche den Bruch besuchen wollen. Man legt sich auf einen niedrigen Wagen nieder und wird mit reißender Schnelligkeit durch die dunkle Passage gezogen. Die Fahrt ist in der That
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/63&oldid=- (Version vom 1.3.2025)