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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/31

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sieht man den edlen Dammhirsch weiden, in allen Büschen hüpft der scheue Rehbock und schwärmen Fasanen mit prächtigem Gefieder. Dann und wann öffnet sich der Wald zum kurzen Fernblick auf das Schloß; aber immer zeigt es sich nur theilweise, gleichsam um das Verlangen zu steigern, nicht es zu befriedigen.

Eine noble Auffahrt leitet zum Hügel, auf dem das Schloß steht. Ueber eine weite Fläche jenes saftigen, sammetnen Grases, das die englischen Landsitze überall umgibt und ein Produkt sorgfältiger Pflege ist, über jene Lawns hin, die mit Baumgruppen und kleinen Seen voller Schwäne und anderem Geflügel bestreut sind, rollt der Wagen zum Schloßplatze, wo sich der herrliche Bau vollständig entfaltet. Die Hauptfaçade hat eine Länge von nicht weniger als 500 Fuß. Aber diese ungeheure Steinmasse mit ihren Thürmen hat dennoch nichts Drückendes; die Schönheit und Harmonie der Verhältnisse, die Zierlichkeit, Reinheit und Mannichfaltigkeit der Dekorationen machen das Gebäude, im Widerspruch mit seiner Masse, so leicht. Je länger man es betrachtet, desto mehr Wohlgefallen erregt es.

Das Innere des Schlosses schwächt die Bewunderung nicht, die sein Aeußeres hervorrief. Durch das hohe Wappenthor tritt man in eine 60 Fuß lange und 30 Fuß tiefe zierlich-gewölbte Halle, deren Fenster bunte Malereien haben und an deren Wänden, in Nischen, ritterliche Rüstungen aufgestellt sind. Eine sehr breite, steinerne Treppe, mit künstlich gearbeitetem Geländer, führt hinauf in die obere Vestibüle, von der die mit Statuen und Waffen geschmückten Corridors zu beiden Seiten auszweigen. Alle Fußboden dieser äußern Räume sind, mosaikartig, aus kleinen Platten von buntem Marmor kunstreich gefügt. Der Korridor zur Rechten führt zu den Salons und Gemächern der Gräfin; auf der linken Seite sind die Wohnungen des Hausherrn, der große Speisesaal und die Bibliothek. Letztere enthält in vortrefflich geschnitzten eichenen Schränken Alles, was ein gebildeter Geist zum Studium oder zum Genuß wünschen mag. Zwei kleine Kabinets nebenan sind mit den gewähltesten Seltenheiten der Kunst angefüllt, ein drittes Zimmer enthält physikalische und chemische Apparate, und auf einem Thurme befindet sich ein Observatorium. Neben dem Speisesaal und dem großen Gesellschaftszimmer läuft ein Gewächshaus hin, durch Wände von Spiegelglas geschieden, so daß, während der Blick von der einen Seite in’s Freie geht und sich der heimathlichen Wälder und Bergformen erfreut, er im andern Augenblicke auf Palmen ruhen und die lachenden Kinder der exotischen Flora mustern kann. Die Möblirung der Zimmer ist dem Baustyl angemessen. Kostbare Hautelisse bekleidet die Wände, um alle Thüren und Fenster rankt und windet sich eichenes Schnitzwerk; die Decken sind von eingelegter Arbeit, die Möbels von Rosen- und Cedernholz kunstreich geschnitten und mit Stickereien in Seide und Sammet überdeckt; werthvolle Gemälde in alterthümlichen goldenen Rahmen hängen an allen Wänden. Manches Bild sieht man hier, das zu dem Besten der Malerei gehört; namentlich schöne Portraits von Vandyck und Reynolds.