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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/25

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CCCCLXXIV. Die Solfatra bei Neapel.




Die Geologie ist eine Wissenschaft von Gestern. Erst seit 50 Jahren setzt sie uns in den Stand, bei Betrachtung des Erdlebens aus der Sphäre der Einbildungskraft in die der Thatsachen zurückzukehren. Unterstützt von der Physik, und von den zahllosen, wichtigen Entdeckungen, welche in unserer Zeit in der Mineralogie, Chemie, fossilen Botanik und Zoologie gemacht wurden, geleitet und erleuchtet, sind wir im Stande, verständliche Urkunden aus dem Archive im Innern der Erde zu ziehen und Denkmäler zu entziffern, welche den Forschern vergangener Zeiten ein versiegeltes Buch waren. Die Wissenschaft hat dessen Schließen gesprengt; aufgeschlagen liegen sie, die Annalen über die Werke des allmächtigen Schöpfers; der Schlüssel zu den Hieroglyphen, welche von Gottes Finger selbst auf die Grundsteine der Gebirgsfesten und an die Wände unsers Planeten geschrieben wurden, ist gefunden.

Selbst die Chronologie in den Phasen des Erdlebens ist angebahnt worden und ihre relative Altersfolge ist durch die vorhandenen Monumente sicher nachgewiesen. Nur die Dauer der geologischen Epochen ist noch räthselhaft. Aber wie es der Geschichtsforschung nach und nach gelungen ist, aus den Denkmälern der Völker das Alter der Menschheit und ihrer Schicksale zu entziffern, so ist es gewiß auch den Geologen noch vorbehalten, die Zeiträume im Erdleben zu messen. Das Wie? ist freilich noch zu suchen. Anhaltspunkte dazu giebt die in unserm Gesichtskreis liegende Tagesgeschichte der Erde nicht; denn die Spanne Zeit, ein Paar Jahrtausende, ist zu kurz und der von ihr zu nehmende Maßstab ist viel zu klein für solche Messungen.

Unter den gegenwärtigen Lebensäußerungen der Erde machen sich die Vulkane und ihre Wirkungen am meisten bemerklich. Unzählig waren einst jene lodernden Feueressen auf der Erde, bis im Laufe der Aeonen die an ihren Heerden wirksam gewesenen Elementarkräfte ermatteten und sie erloschen bis auf die wenigen, deren Feuerbüschel die Nacht erleuchten.

Nach Afrika ist unser Welttheil an lebenden Vulkanen der ärmste. Die vulkanische Thätigkeit ist da zumeist auf zwei kleine Kreise in Italien beschränkt, von denen der Aetna den einen, der Vesuv den andern Mittelpunkt ausmacht. Die Esse des Vesuvs ist der jüngste von mehr als achtzig Schloten, welche in längstvergangenen Zeiten ihre Flammen mit den Wolken mengten. Die ganze Gegend von Neapel ist nämlich angefüllt mit erloschenen