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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/22

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Ein Spaziergang zum Kiosk des Sultans ist lohnend. Dieser kaiserliche Sommerpalast liegt auf einer Anhöhe und spendet eine reizende Fernsicht auf die Gestade der Meerenge, die Gebirge Rumeliens und die Hauptstadt. Es gibt nichts Lieblicheres, als diese Wohnungen, welche mit ihrer eigenthümlichen, zierlichen Architektur aus dem Grün der Platanen in jenem durchsichtigen Lichte erscheinen, womit der orientalische Himmel so gern die Werke seiner Kinder schmückt. Die Reinheit der Luft, der funkelnde Sonnenglanz, die tiefe Bläue des Himmels, der Wohlgeruch des benachbarten Meeres, Alles verleiht ihnen einen Zauber, eine Poesie, welche man anderswo nur träumt. Auf breiter Treppe steigt man zur Pforte hinan und blickt durch ein geheimnißvolles Helldunkel in den marmornen Hof, wo die Garbe des Springbrunnens schäumt unter dem Bogen blühender Orangen. Des Hofes Hintergrund ist eine hohe Mauer. Schaukelnde Baumkronen winken hinüber; aber keinem Mann, außer dem Padischah selber, reifen die Früchte dieses versteckten Paradieses. Hinter jenen Mauern lustwandeln junge Frauen um Fontainen, in den Hainen und Laubgängen, welche hier für sie geschaffen sind, damit sie, den üppigen Launen eines Einzigen zu Gebot, in nutzlosem Müßiggang ein Sklavenleben führen. Dort pflegt der verweichlichte Enkel Osman’s sein entnervendes Haremsleben fortzusetzen, wenn er, müde des Serails, die Schlösser des Bosporus besucht. Unbekümmert um den Einsturz des Reichs schwelgt er dort wie Sardanapal, und wird er fortschwelgen, bis er elender wie Sardanapal endigt. –