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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/190

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oder die Erkaufung ihrer Organe, der Vehme der öffentlichen Meinung die Macht vermindere. Im Gegentheil. Sie übt sie nur härter und schärfer aus zum Nachtheil Derer, welche die schriftliche Gedankenäußerung in Banden schlagen, und so sich selbst des Mittels der Vertheidigung berauben.

Unter den verschiedenen Bewegungen, welche die Geburtswehen der Zeit charakterisiren, ist keine stärker, als diejenige, welche man schlechthin als die industrielle bezeichnet. Ihr Geist ist durch und durch ein schaffender, der umstürzt, um wieder aufzubauen, und Altes tödtet, um Neues in’s Leben zu rufen. Stolz und stark ringt er um die Herrschaft in der Gegenwart, denn er hält sich berufen zum Herrschen in der Zukunft. Nur dem Fortschritt huldigend, achtet er weder Bestehendes, noch Vergangenes hoch, und alles Positive, was seiner rastlosen Thätigkeit hemmend entgegen tritt, erregt seinen Haß. Der Geist der Industrie, vom Tage gezeugt, der ihn geboren hat, und geringschätzend Vieles, was vor ihm gewesen, kann, in dem Vorausgefühl seiner Uebermacht, der Arroganz sich kaum enthalten, und er proklamirt offen seine Hoffnung, daß sein Wille Gesetz seyn werde für das Kommende.

In dem Drange einer solchen Zeit und gegenüber dem Drängen eines solchen Geistes sehen wir die meisten Regierungen und Staatsleiter im Konflikte mit den Forderungen, deren Gewährung die Industrie verlangt und die Klugheit gebietet. Man sieht sie mit Widerwillen unabweisliche Einräumungen machen und den dringendsten Ungestüm abweisen mit dürftigen Abschlagszahlungen, die weder nützen noch befriedigen. Phrasen, die schon längst keinen Nennwerth mehr baben, werden dabei reichlich gespendet; Vergünstigungen, die nichts kosten, werden immer wieder aufgerechnet und in Parade aufgezählt; Bewilligungen werden gemacht, welche angehängte Klauseln widerrufen, und hohle Formeln und brillantirte Unwahrheiten gibt man als wirksame Behelfe aus, mit denen eine obsolete Staatsweisheit einen Dämon bannen will, den sie haßt, aber nicht begreift.

Doch der Geist der Gewerbe ist kein kindischer, der Nürnberger Waare als Spielzeug hinnimmt und blaue Dunsterscheinungen bewundert. Er hat seine Kinderschuhe ausgezogen, er steht als Mann in der Gegenwart, er verlangt vom Staate wackern Hausverstand und eine billige, ehrenwerthe, in allen Dingen dem Guten leicht zugängliche und Gutes fördernde, gerechte Ansprüche aber bereitwillig und vollständig gewährende Gesinnung. Was die Industrie preßt und drückt, hemmt und niederhält, hat sie durch ihre Organe, namentlich im Herzen der Civilisation, in Deutschland, diese Zeit her offen zur Sprache gebracht, und so sehr man auch da und dort die Größe und Gerechtigkeit der Beschwerde zu leugnen und zu verhüllen sucht, Abhülfe kann zwar verschoben, jedoch nicht mehr vorenthalten werden. Es ist gewiß, auch in Deutschland verschafft sich die Industrie noch gebührenden vollen Schutz und volles Recht, und es ist nicht zu verkennen, daß, wenn auch