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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/172

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Abnahme der Körperkräfte und schnelles Hinwelken. – Eines Tages kam ein Unbekannter zu ihm und trug ihm die Komposition eines Requiems zur Todtenfeier seiner Gemahlin auf. Mozart sagt zu, verlangt 200 Dukaten dafür und der Fremde zahlt sie ihm hin, um einer recht zeitigen Fertigung gewiß zu seyn. Aber dem Vergessenen entfällt seine Verbindlichkeit; die Zeit war schon abgelaufen, als ein Bote mit einem Mahnungsbrief des Bestellers erscheint. Mozart, sich entschuldigend, geht nun an die Arbeit und gibt sich ihr mit solchem Feuer hin, daß er alles andere darüber vergißt und seinem schwachen Körper anderthalb Tage lang sogar jede Nahrung, jede Erholung versagt. Seine Frau entreißt ihm zuletzt mit Gewalt die Partitur – zu spät! Mozart sinkt zusammen, wird krank und stirbt. – So feierte er in seinem letzten Werke gleichsam seine eigene Verklärung.

Mozart ist kaum fünfunddreißig Jahre alt geworden. Wer Ewiges geschaffen, stirbt nie zu früh. Hätte er auch nichts geschrieben, als seinen Don Juan, „ein Werk,“ - um mit Weber’s Worten zu reden, – „in dem Alles erschöpft ist, was die Seele des Menschen in ihrer tiefsten Tiefe ahnend empfindet; ein Werk, das selbst in seiner sittlichen Richtung zu einem jüngsten Gerichte für alle Verruchtheit wird und zu dem Gewissen in Tönen redet, die zugleich schrecken und zermalmen;“ – immer würde man ihn zu den Größten der Zeiten und Völker zählen. Was in seiner Seele geblüht: durch seine hinterlassenen Werke blüht es in Millionen Herzen fort, und der Keim, der gesproßt hat in jenem Hause Salzburgs: er wächst, nachdem er lange schon seine Samenhülle abgeworfen, zur tausendjährigen Eiche auf, die, festwurzelnd auf dem Boden des deutschen Gemüths, immer weiter schattet, immer herrlicher sich entfaltet, immer besser erkannt und auch immer mehr geschätzt wird und hochgehalten.

Wer nichts gewirkt hat, stirbt auch nicht; er hat nie gelebt. Wer aber Gutes und Großes gethan auf Erden, für den ist das Sterben nur ein Scheintod, und jede Morgensonne, die auf sein Grab scheint, feiert einen Tag seiner Auferstehung.