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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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das Licht der Welt, die er erfreuen sollte. Schon in dem Kinde drängte und klopfte ein Geist, der dichterisch blühen wollte. Die Musik schien seine ganze Seele anzufüllen; die Musik wurde zur Sprache seiner frühesten Gefühle. Mozart komponirte schon im fünften Jahre, machte im siebenten Jahre mit seinem Vater die erste Kunstreise durch Europa und erregte durch seine Produktionen allgemeine Bewunderung. Es waren keine Blüthen, die, wie bei den meisten Wunderkindern unserer Tage, nur treiben, um abzufallen ohne Frucht anzusetzen: es waren die frühkräftigen Triebe des wahren Genius, der nicht lange auf die besten Früchte warten ließ. In seinem zwölften Jahre sehen wir Wolfgang auf einer Kunstreise nach Rom; im dreizehnten erhielt er das erste Ordensband, und als er bei verschlossenen Thüren in einer halben Stunde eine vierstimmige Simphonie gesetzt hatte, ernannte ihn der Papst zum Kapellmeister. Eine weitere Reise Mozarts in Italien glich einem Triumphzug. Ueberall kam man ihm mit Ehrenbezeugungen entgegen, Akademien und Vereine überreichten ihm ihre Diplome, oder wählten ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Man nannte ihn den Raphael der Tonkünstler, und durch seine Compositionen, die rasch nach einander erschienen, füllte er, der kaum zum Jüngling gereift war, die Welt mit seinem Ruhme an.
Heros der Kunst, blieb er doch ein Kind in allen andern Beziehungen des Lebens. Außerhalb der Musik hatte Mozart für nichts rechten Sinn. Er folgte blindlings dem Zufall, ohne Zaum und Ziel. Keine Erdensorge haftete an ihm, keine Berechnung störte seinen schaffenden Geist. Häusliche Ordnung war ihm ein Grauen, das Geld warf er weg mit beiden Händen, sobald er es erworben, Ruhm und Ehre schienen ihm eine Bürde zu seyn, keine Zierde des Lebens. Den Tag über spielte er Billard, oder er pflog in seinem Lehnsessel einer träumerischen Ruhe; ganze Nächte aber brachte er phantasierend an seinem Klaviere zu, wo er bald die schauerlichsten, bald die lieblichsten Vorstellungen seiner Seele mit Tönen ausdrückte. Am schöpfungsreichsten war die Stunde von 6 bis 7 Uhr Morgens. In dieser hat er die meisten seiner unsterblichen Werke componirt, was er gewöhnlich im Bette that. – Das Aeußere Mozart’s war unbedeutend. Sah man, ohne ihn zu kennen, den kleinen, blassen, hagern Mann, der so gar nichts Ungewöhnliches in seinen Zügen trug, und der sich durch nichts bemerklich machte, als durch ein schüchternes, zerstreutes Wesen, in Gesellschaft, so hatte man keine Ahnung von dem Genius, der sich unter so anspruchsloser Hülle verbarg. Erst wenn er den Stuhl zum Klavier rückte, offenbarte sich ein höheres Daseyn. Die Züge belebten sich, heiliges Feuer blitzte aus seinen blauen Augen, sichtbar spannte sich jeder Nerv, sein Ausdruck, seine ganze Haltung verriethen die höchste geistige Spannung. Mit dem Moment, wo er die Tasten berührte, gehörte er der Tonwelt an und dies so ganz und allein, daß selbst sein Körper während des Spiels für schmerzhafte und krankhafte Eindrücke unempfindlich war. Kein Wunder, daß sich Mozart’s Hülle bei einer so abnormen Lebensweise bald abstreifen mußte. Schon im dreißigsten Jahre klagte er über
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/171&oldid=- (Version vom 5.3.2025)