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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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Reichen. Und mit den Thronen der falschen Herrscher werden zugleich einstürzen die Altäre der falschen Götter. Deren Priester werden den Himmel anrufen in ihrer Noth; aber der Herr wird ihnen antworten: Laßt ab, mich zu quälen! Habt ihr, trotz besserer eigener Erkenntniß, falschen Götzen gedient, so ruft diese an, daß sie euch helfen. Wahrheit über mich, seinen Gott, findet Jeder in seinem Herzen und in dem Allen aufgeschlagenen Buche meiner Schöpfung, und nur wer mir in der Wahrheit dient, ist mein Priester. Eure Lüge von mir hat die Menschen in’s Verderben gestürzt; eure Finsterniß hat sie elend gemacht. Jetzt komme das Licht, das euch erschreckt, um sie zu erretten, und die Wahrheit, vor der ihr zittert, um sie wieder glücklich zu machen.“ –
Also irrte der Gedanke meines Freundes, da er vor einigen Jahrzehenten von Hechingen aus, der kleinen Residenz eines kleinen Fürsten des deutschen Bundes, den Bergkegel hinan zur Wiege eines illustren Königsgeschlechts stieg. Sie, die Burg Hohenzollern, liegt auf der Spitze eines Kalkfelsens und war schon damals fast Ruine. Die Angeln der Thore waren gebrochen, Schutt füllte einen großen Theil der Gräben, wüstes Gemäuer und Giebelwände ohne Dach gruppirten sich chaotisch mit andern, nothdürftig erhaltenen Gebäuden, in welchen ein greiser Invalide, der das Amt des Kastellans versah, eine schöne, alte Kapelle, Säle und Räume zeigte, in denen es eine Sammlung verrosteter Waffen des Mittelalters und ein Paar staubige Familienbilder zu betrachten gab. Riesengroße Linden grünten im Schloßhofe und Gesträuch und Buschwerk rankte und wuchs fröhlich aus allen Spalten und Klüften des Gesteins. Er erstieg den Thurm. Da ist die Aussicht herrlich. Nach West und Nord ist die Gegend offen, und ungehemmt dringt das Auge über weite Länderstrecken mit Bergen, Thälern und hundert Ortschaften. Südwärts aber dehnt sich die Kette der schwäbischen Alb mit ihrem Waldmeer aus, und die tiefer im Hintergrunde liegenden Berge geben dem Bilde Fassung. –
Deutsche Adelsgeschlechter, deren Stammbaume tief in der Sagenzeit wurzeln, gibt es Legion; aber aus der Urne, in welche das Schicksal die Loose für Kronen legte, konnten nur wenige die großen Treffer ziehen. Die Habsburger und die Hohenzollern waren die glücklichsten. Jene hob die Gunst des Geschicks mit einem Male von ihrem bescheidenen Rittersitze auf den höchsten Thron der Welt; das Hohenzollern’sche Geschlecht hingegen hatte auf der langen Leiter vom Edelmann bis zum Beherrscher eines großen Reichs und Stimmgebers im Weltrathe keine Sprosse zu überspringen, und mit tiefem Interesse muß man die Stufenfolge von Ereignissen und Umständen betrachten, welche es zur hohen Stellung führten, die es jetzt einnimmt. – Seine älteste Ahnengeschichte verliert sich in Fabeln und Hypothesen. Ein Zollern (Thassilo), mit dem Grafentitel, erscheint urkundlich um 800. Dessen Sohn, Thanko, ein Mann von großen Eigenschaften, erweiterte die kleine Herrschaft, und unter seinen Söhnen und Enkeln trieb der Stamm schon in mehre Verzweigungen aus, die sich nach
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/158&oldid=- (Version vom 5.3.2025)