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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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Riesen vom Fuße bis zum Scheitel und manche himmelan strebende Firn, die in ewigem Eise starrt. Die kälteste Brust bleibt nicht kalt bei diesem Anblick, und eine empfindsame Seele schmilzt in unaussprechlichen Gefühlen. – Wohl dir, wenn du allein hinauf klettertest und kein profaner Begleiter dich stört. So allein, entrückt dem Getümmel der Welt: – wie nahe dünkt dich dann die ferne Wohnstätte, wie klein wird dir dann dein Kummer, wie leicht die irdische Bürde! Reiner schaut dich hier die kommende Sonne an, und wenn sie schon lange gesunken ist, strahlt noch ihre Glorie auf den Firnen und es weidet sich das Auge noch an ihrem Nachglanze, bis er von Bergstaffel zu Bergstaffel, von Zinke zu Zinke hinan allmählich verlischt. –
Kein Genuß gleicht einem solchen auf hoher Warte einer herrlichen Natur. Keiner ist schöner, keiner reiner, keiner läßt seligere Eindrücke zurück. Wer, der ihn gekostet hat, blickt zurückgekehrt in die Strudel seiner Geschäfte, oder in den monotonen Wirbel conventioneller Vergnügungen – nicht oft mit Sehnsucht zu den erstiegenen Höhen und zählt die dort verbrachten Augenblicke zu den glücklichsten? Wer aber Gleiches noch nicht genossen hat, der eile, daß auch er sagen kann mit uns Andern:
„Auf den Bergen wohnt der Friede,
Auf den Bergen wohnt die Freude,
Auf den Bergen lebt die Freiheit,
Schlingt den Ehrenkranz um Beide.“
An dem zwischen zwei Ketten des schweizerischen Jura eingeklemmten, über 400 Fuß tiefen und an 6 deutsche Meilen langen Neuenburger See, am westlichen Ufer desselben, liegt Neufchatel. Klein zwar (es hat nur 600 Häuser und 6000 Einwohner), ist es doch in der ganzen Welt bekannt und berühmt, denn es ist, nebst den Nachbarstädtchen Locle und Chaux de Fonds, der Hauptsitz jener bewundernswürdigen Industrie, welche die ganze Welt mit dem versieht, was unsere rechnende, geschäftvolle Zeit am wenigsten entbehren mag: – einer Taschenuhr. – Die Uhrenfabrikation, deren Anfänge in diesen Thälern kaum 70 Jahre alt sind, hat hier unermeßliche Fortschritte gemacht. Die frühere Dürftigkeit hat sie in allgemeinen Wohlstand verwandelt, die
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/112&oldid=- (Version vom 4.3.2025)