![]() |
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
|
Cicero, den Kaisern und fast allen Großen Roms unter dem bescheidenen Namen von Villen erbauten Paläste enthielten Alles, was die Phantasie für üppigen Lebensgenuß erdenken mag. Schon zu Horazens Zeit war der Raum der Landschaft zu enge geworden, um alle die prächtigen Landsitze zu fassen.
– – – Sepulchri
Immemor struis domos,
Marisque Bajis obstrepentibus urges
Summovere litora.
(Od. II, 18.)
Das umlaufende Glück führte diese Herrlichkeit weg; nur Trümmer verkündigen sie noch, Säulenschäfte und Marmorblöcke, die aus dem wüsten Gesträuch dich anschauen, Mauerreste, an welche Sturm und Wogen seit anderthalb Jahrtausenden zürnend schlagen. Am Meere, wo die üppigsten Gärten in voller Pracht dufteten, haucht jest die Malaria aus weiten Sümpfen den Tod, und Tempel- und Thermen-Reste blicken dich an wie ungeheuere Sarkophage einer vergangenen Welt. Die verwesende Gestalt eines Merkurtempels läßt einen Bau, ähnlich dem des römischen Pantheons, erkennen; von dem der Diana Lucifera steht noch ein Theil der Cella, und das berüchtigte Haus der Venus, mit seinen duftenden Gärten und seinen umarmenden, weichen Priesterinnen, ruht, mit Dornen überwachsen, im Staube.
Etwas landeinwärts ziehen die Reste eines Herkulestempels ihren leichten Umriß auf die Bläue des Himmels, und ein altes Gemäuer, nicht fern davon, ist das Grabmal der Agrippina. Nero, der Tyrann, ließ sie, seine Mutter, hier ermorden. Der Vesuv hat dieses Schauergrabmal mit seiner Asche hoch eingeschneit, und dichtbelaubte Bäume suchen es zu vergittern. Die Natur ist schämiger, als die Menschen.
Nordwestwärts von Pozzuoli, nach dem Vorgebirge von Miseno zu, geht der Pfad fortwährend über Schutthaufen und Trümmer, bis man zur Piscina mirabilis gelangt, einem unterirdischen Bau, der alles früher Gesehene an Kühnheit übertrifft. Man steigt zu ihm auf 40 Stufen hinab. Er enthält 5 Reihen hoher Zellen, die auf 48 Pfeilern ruhen. Die Tradition macht dieses Werk zu einem Fischbehälter des Lukull; wahrscheinlicher aber war es ein Bad. – Näher dem Meere liegt der Cirkus des Nero, Mauerreste von gewaltiger Dicke und Umfang. Hier wurden die Reiterspiele gehalten, bei welchen Menschenblut in Strömen floß, um die unmenschlichsten Gefühle zu ergötzen. Auf dem misenischen Kap selbst ragen weitläufige Trümmer: sie gehören zu den Palästen des Nero und Lukull; in dem letztern starb der grausame Tiber. Mit Grauen sieht man auf diese Wohnungen, wo die Peiniger der Völker Wollüste trieben und alles Schändliche und Schreckliche thaten. Wie viel
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/105&oldid=- (Version vom 3.3.2025)