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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/93

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CCCCXXXX. Schloss Friedrichsburg bei Kopenhagen.




Friedrichsberg, Friedensburg, Friedrichsburg sind Namen, welche der Fremde in Kopenhagen sehr oft mit einander verwechselt. Alle drei bezeichnen königliche Schlösser. Das erste ist ein Sommerpalast, eine halbe Stunde von der Hauptstadt; Friedensburg, das andere, dient jetzt dem Kriegsgotte als eine Militairakademie; das dritte ist der Gegenstand unsers Bildes.

Der ganze Weg von Kopenhagen zu diesem Lustschlosse der Könige von Dänemark geht durch eine parkmäßige Landschaft. Kaum, daß man die letzte Häuserreihe Kopenhagens hinter sich hat, so empfängt uns das Dunkel des königlichen Thiergartens, und unter schattigen Laubgängen hin, welche dann und wann eine reizende Fernsicht, oder der Blick auf eine lichte Waldmatte erheitert, wo Hirsche und Rehe heerdenweise grasen, kommen wir zu den Ufern eines langgestreckten, buchtenreichen Sees, wo eine Fähre harrt, die den Reisenden auf das andere Ufer übersetzt. An demselben, auf einer mit einzelnen Bäumen besetzten Anhöhe, laden Ruhebänke unter einer tausendjährigen Buche zum Genusse der schönsten Ansicht. Der ganze Esrom-See liegt mit seinen zahllosen Buchten ausgebreitet zu den Füßen des Beschauers, umgeben von prächtigem Hochwald, und da, wo sich der letztere in ein tiefes Thal hinabsenkt, schweift der Blick über die Baumwipfel hinweg auf das spiegelnde Meer und nach den blauen, fernen Gebirgen Schwedens. Das unter Buschwerk am Ufer versteckte bemooste Dach des Fährmanns ist das einzige Zeichen einer menschlichen Wohnung in dieser elegischen Landschaft, deren Stille nur zuweilen das Rufen der Hirsche, oder das Rauschen des die Gebüsche durcheilenden, scheuen Rehs unterbricht. Der Geruch des Waldes, der Duft des Kalmus und die aromatischen Dünste seltner, blühender Wasserpflanzen im See, erquicken und stärken Nerven und Sinne. Ueber die schwarzen Fluthen schweben hie und da Nebelstreifen wie ein zarter weißer Rauch, welchem die im ruhigen Wasserspiegel wiederstrahlende Sonne bald schillernde Regenbogenfarben, bald helle Silberblicke zu geben scheint. Seitwärts fällt der Blick in ein tiefes, schmales Gründchen, umgossen vom düstersten Dunkel. Ein Pfad lockt hinab, der sich jedoch bei einer alten Ulme in’s Dickicht verliert, und eine Schrifttafel mahnt zur Rückkehr wie ein warnender Wegweiser für die irrenden Ahnungen einer unruhigen Menschenbrust.