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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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Im Jahr, 1725 wurden die ersten platirten Knöpfe gemacht, welches die Grundlage zur Entstehung jener großartigen Manufaktur von platirten Waaren abgab, womit Sheffield ein halbes Jahrhundert lang alle Märkte der Erde ausschließlich und ohne Conkurrenz versorgte. Bis um diese Zeit bediente sich das Sheffielder Fabrikwesen der Londoner Vermittelung zum Vertrieb seiner Erzeugnisse. Broadbent, ein Cockerill seiner Zeit, der 700 Arbeiter beschäftigte, löste zuerst diese Fessel, indem er Reisende in alle Theile der Welt ausschickte, welche direkte Verbindungen mit dem Auslande aufsuchen und anknüpfen mußten. Den größten Aufschwung aber nahm das Sheffielder Geschäft dann, als Holztheuerung und Holzmangel die Erzeugung des Eisens mit Steinkohlen gelehrt hatten. Sheffield, von großen Steinkohlenablagerungen umgeben und schon längst reiche Eisenbergwerke bebauend, sah sich dadurch im Besitze unerschöpflicher Hülfsmittel für seine emporstrebenden Gewerbe, welche seitdem von Jahr zu Jahr gewachsen sind bis auf den heutigen Tag. 1736 hatte die Stadt 9800 Einwohner; 1755 über 12,000; 1788 schon 26,000; 180 über 36,000; 1820 70,000; und seitdem ist die Bevölkerung um das Doppelte, die Häuserzahl auf 32,000 gestiegen! Jede Familie bewohnt in glücklicher Unabhängigkeit ein eignes Haus, der Wohlstand ist allgemein, durch alle Classen verbreitet, und jene betrübenden Contraste zwischen dem Crösus-Reichthum der großen Fabrikherren und der bittern Armuth ihrer Arbeiter, wie sie in den Distrikten der britischen Baumwollenmanufaktur, namentlich in Manchester sichtbar werden, sind hier unbekannte Dinge. Daher hört man auch nichts von Arbeiterassoziationen, um höhern Lohn zu erzwingen, und von jenen Strikes, denen Aufstand und Elend im Gefolge gehen. Die meisten Eisenarbeiter fertigen die Waare in ihrer eigenen Werkstätte auf Bestellung der Faktoren, theils in halb-, theils in ganzvollendetem Zustande, und das Prinzip der Theilung der Arbeit hat hier glücklicher Weise noch nicht alle Selbstständigkeil des kleinern Gewerbsmannes zu Gunsten des mächtigen Fabrikanten vernichtet.
Schon von Weitem ist Sheffield das Bild eines blühenden Gemeinwesens. Meilenweit von der Stadt beginnen die Gärten und Landhäuser, und ihre unzählbare Menge läßt erkennen, daß hier recht Viele an den Freuden eines mäßigen Wohlstandes und am heitern Lebensgenuß Theil haben. Das Thal, in welches der älteste Stadttheil gebettet ist, wird vom Don bewässert, dem hier der Sheaf aus dem westlichen Gebirgsland zuströmt. Eisenbahnen und Kanäle, jene zum Theil von Viadukten getragen, zweigen sich nach mehren Richtungen aus, und das rührige, rastlose Leben auf denselben steht in Einklang mit dem schon in weiter Entfernung hörbaren, unausgesetzten Getöse einiger zwanzig Eisenhütten, Hammer- und Walzwerke, welche die Stadt unmittelbar umgeben, und zu den thurmhohen Essen, welche in Menge aus dem Häusergewühle emporstarren und Feuerbüschel oder schwarze Rauchwirbel ausstoßen. Die Stadt selbst hat, wegen des hügeligen, coupirten Terrains, viel Unregelmäßiges in ihrer Bauart. Die Wohnungen sind meistens klein, vom Ruß und Rauch geschwärzt;
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/38&oldid=- (Version vom 31.1.2025)