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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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gingen täglich 26 Eilwagen zwischen den beiden Städten hin und her; sie brachten 400 Reisende: jetzt fahren täglich auf den Dampfwägen 3000. Auf den Schienenwegen aus allen Theilen des Reichs, so wie auf den Dampfbooten langen überhaupt 20–30,000 Reisende täglich in Liverpool an, die ein paar tausend Packträgern, Lohndienern etc. etc. Unterhalt geben und einige hundert Hotels und Gasthöfe überfüllen.
Liverpool ist vorzugsweise Handelsstadt; die niedern Klassen, an Arbeiten in freier Luft gewöhnt, scheuen die dumpfe Atmosphäre der Werkstätten. Dessenungeachtet hat Liverpool manche große Industrieen, welche auf Handel und Schiffahrt Bezug haben: Schiffbau, Seilereien, Gießereien, Ankerschmiede, Chronometerfabriken etc. etc. Der Bau von Dampfschiffen wird nirgends in der Welt so schwunghaft betrieben, als hier. Er allein beschäftigt, einschließlich der Hülfsgewerbe, über 12,000 Personen. In 8 großen Ateliers werden blos Schiffs-Dampfmaschinen gemacht. Der Dampf verrichtet in diesen Werkstätten den größten Theil der Arbeit; er schafft Lasten fort, zieht die Blasebälge, schmiedet, feilt, hobelt, dreht, polirt das Eisen. Alle Thätigkeiten sind auf’s Strengste geregelt, einem Willen gehorsam, einem Anstoße folgend.
Der unermeßliche Waarenverkehr Liverpools bringt colossale Geldgeschäfte mit sich. Die Banken sind zahlreich und meistens auf Aktien gegründet. Alle zusammen haben 16 Millionen Pfund Kapital und ihr Umsatz ist jährlich nicht weniger als 3–4000 Millionen Gulden.
Nach diesen Andeutungen des commerziellen Lebens einer Stadt, in welcher der Handelsgott zu Thron sitzt, will ich es noch versuchen, sie in ihrer äußerlichen Erscheinung vor das Auge des Lesers hinzustellen.
Liverpool, die Riesenstadt, ist eine Stadt von gestern; aber, trotz der Neuheit, schwarz gefärbt und rußiger noch, als die Metropole an der Themse. Es ist ein London an einem Ufer, ohne Brücken. Am rechten, sanften Gehänge des Mersey erhebt es sich amphitheatralisch, eine kompakte Masse mit einem Wald von Schornsteinen und den Essenthürmen der Dampfmaschinen, über welchen eine rabenschwarze Wolke zu jeder Jahreszeit schwebt. Vom linken Uftr des Mersey aus sieht man von der Stadt selbst fast gar nichts; undurchdringlich ist dem Auge das Gewirr von Masten, Segeln, Raaen und Tauen und der dichte Rauch aus den schwarzen Schlöten der Dampfschiffe, welche auf den Gewässern hin- und herschießen.
Im Innern der Stadt drängt ein emsiges Gewühl von Menschen, Reiten, und Wägen in ewiger Hast. Die Hauptstraßen sind breit und luftig, die Häuser groß, behäbig, ohne auf architektonische Schönheit
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/231&oldid=- (Version vom 16.2.2025)