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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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durch Zuspruch noch ferner zu beschwören, wie sie bisher gethan hat; ist aber das russische Schwert in dieser Sache einmal gezogen: so ist keines Menschen Geist fähig, das Ende dieses Streits zu ermessen. Europa würde dann wieder zum Feldlager werden und die Fürsten zu Kriegsobersten. An Rüstzeug zu einem solchen Kriege hat der Friede es nirgends fehlen lassen. An Flinten, Bajonetten und Kanonen ist kein Mangel irgendwo, und es harren die Gewappneten des innern Unfriedens nur des Steins, geschleudert auf Schicksals Ruf, um sich wechselsweise zu erwürgen. Rußland kann ihn jeden Tag schleudern, und es wird ihn schleudern, sobald es den Assimilationsprozeß mit den ihm hörig gewordenen Völkern vollendet hat und es ihm gelungen ist, den polnischen Wurm, der ihm am Herzen nagt, vollends zu zerdrücken, und den Heldenmuth der kaukasischen Völker im Kosakenblut zu ersäufen.
Das ist in wenigen Zügen die Perspektive der West- und Ostwelt, wie sie ein Blick an ihrer Pforte gewährt. Aber – ich sehe auch einen ernsten, strengen Geist auf dem Stuhle mitten in diesem chaotischen Treiben sitzen, einen Geist, auf dem mein Auge mit Vertrauen ruht. Es ist der Geist, der seit Anbeginn der Welt jedem Vergehen seinen Tag gesetzt, der mit jedem Frevler zu Gericht gegangen, der jedes Unmaaß in seine Schranken zurückgewiesen und jeden argen Willen rechtzeitig gebrochen hat. Vor ihm vergehen Die, welche sich ihrer Listen freuen, kommt der Hochmuth zu Fall, zerrinnt die ungerechte Gewalt, wenn ihre Stunde gekommen ist, und findet alle Unbill und alles Unrecht sein Maaß der Vergeltung. Nichts ist je vor ihm bestanden, denn die Wahrheit, das Recht, die Billigkeit und das sittliche, rechte Maaß. Mögen anarchische Gelüste unter jeglichem Vorwande auf’s Neue versuchen, die Welt zu verwirren; mögen despotische Instinkte in der Finsterniß Werke des Trugs und der Arglist, der Gewalt und des Unrechts verüben: jener Geist, der in unsern Tagen schon einmal so wunderbar und herrlich Urtheil gesprochen und das aus allen Fugen getretene Gebäude neu geordnet hat, er wird auch jetzt und künftig neue Kräfte erwecken, welche die dämonischen Mächte niederwerfen, ehe ihre Pläne zur Ausführung gekommen. Er wird dem Kriegsgott die Hände gebunden halten, und eine friedliche Lösung der Fragen, welche die Well beunruhigen, wird ihm keine Unmöglichkeit seyn.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/213&oldid=- (Version vom 15.2.2025)