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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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Herrscher steht ihnen als eine Thatsache da, ruhend auf sich selber und, wie der orthodoxe Glaube, alles Grübeln abweisend. In die Worte Sollen und Müssen löst sich ihre Symbolik auf. Mit jenem wollen sie durch die moralische Nöthigung die Menschen zwingen, mit diesem durch die physische, und ihre ganze Staatskunst hat kein anderes Ziel, als jedes Widerstreben, wenn nicht unmöglich, doch fügsam zu machen. Während die Aristokratie das Gewaltrecht am liebsten von der Grundherrlichkeit ableitet, so thut der Servilismus solches vorzugsweise und konsequent vom Schwerte, als dem Werkzeuge, welches die Subordination in die festesten Formen zwängt. Gehorsam allen Diktaten, welche dem Munde der Autorität entfahren, versteht diese Partei, der Macht gegenüber, nur die Bejahung zu gebrauchen, und jeder Laut, den sie von sich gibt, ist ein Echo von dem schallenden Hauche, das vom Throne ausgeht. Sie anerkennt nirgends im Individuum eine selbstständige Freiheit, ja, der Begriff von einer solchen kann ihr gar nicht innewohnen. Sie will nur Unterthanen (Hörige), keine Staatsbürger, und jede Handlung des Individuums bedarf, um zu Recht beständig zu werden, unerläßlich der höhern Ermächtigung. Der Monarch von Gottes Gnaden ist, nach ihrer Lehre, die Ursache von Allem, was im Staate geschieht, alle Gewalt ist nur von ihm hergeleitet, folglich ruht auch die gesetzgebende Macht nur in ihm. Er selbst ist über dem Gesetze, weil er nicht Herr und Diener zugleich im Staate seyn kann. Da nun, nach der Lehre der Servilen, kein Untergeordnetes seine abgeleitete Autorität gegen ihre Quelle richten kann, so kann auch keine sogenannte Volksvertretung der Majestät eine Grenze setzen. Die öffentliche Meinung verdammt sie als eine frevelhafte Phantasmagorie, und den Geist des Fortschritts als einen verbrecherischen Geist des Widerspruchs, den man durch alle Mittel niederhalten und niedertreten müsse. Constitutionen sind ihr ein Greuel, oder ein Tand, welchen man den Völkern zu Zeiten, wie ungezogenen Kindern, zur Beschwichtigung reicht, die Zurücknahme aber sich jeder Zeit vorbehält; sie macht die Wiederabschaffung verliehener Verfassungen bei gelegener Stunde zur erhabenen Fürstenpflicht. Wer aber constitutionelle Rechte zur Wahrheit machen und sie gebrauchen will, der ist ein Rebell, und jede Verfolgung, jede Schändlichkeit gegen ihn stempelt die Servilität zu einem Akt der Gerechtigkeit. Allwärts ist diese Partei stark an Zahl, an Intelligenz und noch stärker an Macht; denn vom Minister bis zum Gassenvogt und vom Feldherrn bis zum Trommelschläger hat die Hauptmasse der Bedienstigten ihrer Fahne zugeschworen. Sie steht eng zusammen, wohlgerüstet, wie ein compakter Phalanx gegen die anderen Parteien. Sie hat auch das Waffenrecht mit Schwert und Rede sich fast überall allein zugesprochen, und fälscht die öffentliche Meinung nach ihrem Wohlgefallen. Jeder Fürstenhandlung kommt sie mit unbedingter Bewunderung, jedem Machtgebot mit freiwilligem, gläubigem, ehrfurchtsvollem Gehorsam entgegen, ein starkes Band der Gemeinschaft hält sie umschlungen, und ihre Glieder sind jeder Zeit bereit, sich wechselseitig zu schützen und zu stützen.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/209&oldid=- (Version vom 15.2.2025)