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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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einen Seite erheitern die Baumgruppen, Bosketts und Rasenplätze der elisäischen Felder; durch die prachtvolle Avenue in der Fronte sieht man die Façade der Königswohnung, der Tuillerien, rückwärts aber den Triumphbogen de l’Etoile und die Avenue von Neuilly. Die Perspektive durch die Rue Royale endigt im Tempel der Ehre, dem Pantheon, und auf der andern Seite fällt der Blick über die neue Brücke hin auf die Colonnade des Palastes der Deputirten. Man steht hier gleichsam inmitten der Werkstätte der Geschichte, – man fühlt das Treiben und Bewegen ihrer Elemente. Noch mit dem letzten Blute, das hier vergossen wurde, ward die letzte große Seite der Weltgeschichte geschrieben. Es floß in den Julitagen. Die da fielen – sie ruhen jetzt unter der „Säule des Wahnsinns“, wie ein loyaler deutscher Mann sie genannt hat. Ich lasse den Ausdruck gelten. Jegliche Aufopferung, jeglicher Heroismus läßt sich am Ende alS Wahnsinn deduciren, wenn man die Gleichgültigkeit, Unbeweglichkeit und Indolenz der gemeinen Menschen als gesunden Menschenverstand gegenüber stellt. Wahnsinn ist dann der Tod des Frommen, der für seinen Glauben stirbt; Wahnsinn der Muth des Helden, der dem Vaterland das Leben opfert; Wahnsinn das Streben des Edlen, der die verfolgte Unschuld in Schutz nimmt, und wahnsinnig ist der Mann, welcher der Freiheit Wege bahnt zu den Völkerherzen, und die Unterdrückung der Gewalt eben so, wie die Feigheit der Unterdrückten, mit dem Flammenschwerte des Wortes schlägt. Was hat er zu gewinnen? fragen die Spötter. O, die Armen! Ihnen ist’s unverständlicher, als Hieroglyphenschrift, wenn ich ihnen sage: daß das Bewußtseyn, frei zu stehen auf klarer, jeder Prüfung beständiger Ueberzeugung, sicher zu seyn vor jeglicher Täuschung und fähig zu seyn, sich die Zukunft zur Gegenwart zu machen, die kein Gott uns rauben kann, allein schon alle Opfer eines Menschenlebens aufwiegt.
Durch eine Felsspalte, auf deren Boden wildes Gewässer braust, führt, von Gebälk kühn und fest erbaut, ein Weg nach den versteckt im Thale liegenden Hammer- und Hüttenwerken, und durch die Kluft schaut vom hohen Fels die altersgraue Trotzburg verklungencr Ritterzeit herab. Das Bild ist die naturgetreue Darstellung einer der frappantesten Scenerien Oesterreichs.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/186&oldid=- (Version vom 14.2.2025)