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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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Reicher als die Halbinsel Cornwallis ist keine Gegend Englands an romantischen Naturschönheiten, alterthümlichen Denkmälern, geschichtlichen Erinnerungen und unterirdischen Schätzen. Es ist die rechte Heimath der Gnomen und der Rübezahlsagen Britanniens.
Wogen und Stürme fressen und nagen unaufhörlich an Cornwallis Küste. Was daran locker und beweglich war, wurde losgerüttelt und fortgespühlt. Nur die compakten Felsmassen sind geblieben, welche das jetzige Land schützend umgürten. Daher ist der Charakter der Ufer meistens schauerlich wild. Es gibt Strecken an dem Gestade, wo man stundenlang nichts als Felsen an Felsen gereiht erblickt, deren riesenhafte, abenteuerliche, scharf gegen den Himmel abschneidende Formen mehr erschrecken, als erfreuen. Selten erblickt man da Menschen, noch seltner eine Wohnung, oder die Zeichen der Kultur: nicht einmal ein Baum findet auf dem sturmumbrausten Gestein einen Halt, und nur das Rauschen der Brandung, daß Geschrei der Wasservögel, und der melancholische Zuruf sich einander begegnender Fischerfahrzeuge unterbrechen die öde Einförmigkeit.
Doch treten auch lachende Bilder zuweilen vor’s Auge, besonders da, wo das Meer den Felsgürtel durchbrach und sich tiefe Golfe und Bayen aus dem Lande höhlte. Ein solches Bild liegt vor uns. Wir sehen die prächtige Mounts-Bay weit geöffnet. Mehre der Uferfelsen erheben sich glatt, wie Marmor, gleich Palästen, und im Hintergrunde ragt, von den Fluchen fast ganz umspühlt, eine Pyramide, von deren Spitze ein Castell herabschaut. – Es ist die Arthursburg, um welche ein Sagenkreis sich schlingt. Wie auf dem Kyffhäuser Kaiser Friedrich der Rothbart im dunkeln Felsgewölbe verzaubert wohnt, so soll hier König Arthur mit den Rittern der runden Tafel in einem unterirdischen Banketsaale festgebannt sitzen, vom Erzengel Michael selbst gehütet. Steif hängt das Volk von Cornwallis an dem Glauben, daß, wenn einmal England durch der Feinde Macht in Noth gerathe, des Engels Posaune erschallen und den König wecken werde, damit er das Reich errette. ES ist jene Sage, auf welche Milton mehrmals anspielt, und von der ein neuerer Dichter gesungen:
Welcher Tag ist auserkorn’n
nach der langen Nacht?
Sag’, wann thönt das Zauberhorn,
Daß der Held erwacht?
„Wann Britaniens Reich erbebt,
Wann sein Dreizack kracht:
Dann Held Arthur sich erhebt,
Stürzt der Feinde Macht.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/153&oldid=- (Version vom 11.2.2025)