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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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kehrten der Siebenhügelstadt und Hesperiens Gestaden den Rücken, um in Languedok’s Thälern sich Wohnsitze der Pracht und des Lebensgenusses zu erbauen. Zwar sind diese sammt ihrer Zeit längst vergangen; über ihren Schutt furcht die Pflugschaar, auf ihren Trümmern rankt die Rebe, schattet die Olive. Auch die Burgen und Schlösser der spätern Herren liegen zerbrochen auf den Höhen. Aber die Natur ist nicht kärger geworden, die Menschen sind nicht weniger froh, die Kultur des Bodens ist nicht geringer. Die ganze Landschaft ist ein Garten, und der heitere Geist der Troubadours ruht auf dem Volke, welches ihre Sprache redet.
Languedok ist ein Hügelland, wellenförmig ziehen die Höhen desselben in vielen Richtungen zwischen den Thälern fort. Jeder Landrücken ist mit Obstbäumen oder mit Reben bepflanzt, und jeder bietet von seiner Stirn Blicke in liebliche, blühende Gründe, mit zerstreut liegenden kleinen Hütten, durchströmt von silberhellen Bächen. Flecken und Landstädtchen betten sich in den breitern Thälern. Wo ein Hügel zum Berg, wird, oder ein Fels aus dem Boden steigt, da krönt ihn die dunkle Ruine eines Schlosses, oder eine Kapelle schimmert mit weißem Gemäuer. Das Volk ist ein schöner, kräftiger Menschenschlag. Es verräth die Mischung mit spanischem Blute in seiner Farbe, in seinen Zügen, in seiner Kleidung. Man sieht noch häufig den weiten, runden Mantel auf den Schultern der Männer, die großen, vorn aufgeschlagenen Hüte und darunter das farbige Netz des Cataloniers. Auch die Sprache Languedok’s ist der seinigen so verwandt, daß sie dem Franzosen fast unverständlich wird. Mäßige Arbeit gibt in diesem gesegneten Lande den Menschen reichliche Mittel, ihre einfachen Bedürfnisse zu befriedigen, und das allgemeine Erdtheil, Heiterkeit des Geistes, läßt sie die Bürde leichter durch’s Leben tragen. Bei dem glücklichen Klima kennen sie Manches nicht, was den Nordländer drückt – die Sorge für Kleidung, Vorrath an Lebensmitteln und für Wärme während des Winters ist bei ihnen sehr gering. Sie haben deshalb weniger Aufforderung, sich um die Zukunft zu bekümmern; sie lachen mehr, singen mehr, ihre Festtage sind zahlreicher und bieten, leichten Kaufs, Genuß in Fülle.
Montpellier liegt inmitten dieser Landschaft auf einer mäßigen Anhöhe in einer sehr fruchtbaren und bebauten Ebene. Die Stadt ist ansehnlich, und schon von weitem treten aus der Häusermasse große, massive Gebäude und Thürme in Menge hervor, welche nebst dem, auf langer Bogenreihe weit hergeführten Aquädukt dem Orte eine imposante Fernsicht gewähren, welche die Erwartung spannt und groß macht. Doch rechtfertigt sich solche nicht; denn das Innere der Stadt ist winklich, die meisten Straßen sind eng und schmutzig, und der Geruchssinn wird in diesem Sitz der Parfümeurs, welche die feinsten Wohlgerüche in die Salons und Boudoirs der ganzen Erde spenden, um so empfindlicher beleidigt, je weniger die Vorstellung auf so Etwas vorbereitet ist. – Schöner, etwas reinlicher auch, als die Stadt selbst, sind die Vorstädte, welche bei der zunehmenden Bevölkerung ihre Häuserarme weit in den Gartenkranz strecken. – An Umfang mag Montpellier Leipzig nahe kommen. Die Gesammtzahl
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/128&oldid=- (Version vom 9.2.2025)