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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/127

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Anblick versunken. Alles war so ernst und still und heilig um uns, Jeder folgte willig seinen Gefühlen; meiner Phantasie waren die Flügel gelöst, und während ich so hinunter blickte auf die hohen Mauern und Zinnen des Elbthals, dachte ich sie mir als die Trümmer von Palästen und Tempeln und Triumphbögen längst vergangener Gigantengeschlechter, die einzeln stehenden Felskegel als die Pfeiler der Bögen, die einst über dem Thale sich wölbten, andere als Hochaltäre, wo die Riesenkinder der Erde dem Herrn opferten, wieder andere als Mausoleen für Heroen. Ich verglich dann mit dieser Felsarchitektur die stolzen Bauwerke, die ich den Tag vorher in Dresden gesehen, und sie kamen mir vor wie Maulwurfshügel neben Bergen. Da weckte mich der Ruf der zur Rückkehr mahnenden Wandergefährten aus dem Traume, ich wischte das phantastische Nebelbild aus meinen Augen und schied vom Prachtschauspiel der Natur mit beklommenem Herzen.

Drei Jahrzehnte voller Lebensstürme und Ungewitter sind seit diesem Abende über mich hingezogen, die Regengüsse der Sorge haben meine Stirn gefurcht und meine Haare fangen an zu bleichen. Dreißig Jahre! es ist eine kurze Spanne Zeit und doch wie viel Thränen rollten seitdem auf des Schicksals ernstem Altar! Gottlob! sie sind vertrocknet; sie haben sich nicht zur schmerzenden, eiternden Wunde eingefressen. Auch waren die geschwundenen Tage an Freuden nicht arm; manchen reinen, glänzenden Strich ließen sie auf ihrer Gedächtnißtafel zurück; – die reinsten kamen von euch, ihr Wandertage meiner Jugend!




CCCCXXXXVII. Montpellier.




Fast jedes Land hat sein Canaan, wo die Sonne wärmer scheint, und der Schöpfer des Segens Füllhorn freigebiger ausgeschüttet hat, als anderswo. Für Frankreich ist’s Languedok, jene zwischen den Pyrenäen und dem Rhonedelta ausgestreckte Landschaft, die wegen Milde des Klima’s und üppiger Fruchtbarkeit schon in der alten Welt berühmt war. Phönizier und Griechen verließen ihre alte Heimath, um sich da niederzulassen, und Römer