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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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Alte und neue Zeit gleichen sich wie Ruhe und Bewegung. Alles ist in’s Treiben gekommen: Religion und Wissenschaft, Herrschaft und Eigenthum, Ideen und Meinungen, Handel und Gewerbe. Nichts ist mehr beständig, als eben die Unbeständigkeit. – So viele Jahrtausende hüteten die Priester sorgfältig das Geheimniß der Gottheit: doch ist die Offenbarung nicht ausgeblieben, und immer allgemeiner verbreitet sich die Einsicht, daß jede Blume, jeder Thautropfen das Wesen der Gottheit entschleiere, jede Lerche von ihr predige und jedes Herz ein Tempel des Herrn seyn könne, in dessen Allerheiligstes der Mensch eingehen dürfe ohne Mittler in Stola. – Jahrtausende machte man auch aus dem Regieren ein Geheimniß, und vom Minister an bis zum Kanzlisten herab glaubte jeder Theilhaber an der Herrschaft, es sey nothwendig für Staat und Völker. Possen! Jetzt sieht man die Regierungsmaschinen unter Glasgehäusen stehen; Jeder, der mag, tritt hinzu, beobachtet den Rädergang und gibt sein Urtheil. – Als Gutenberg das erste gedruckte Blatt aus der Presse nahm, rief die Gewalt ihr „Kreuzige!“ über sie und schlug sie in Fesseln. Was hat es geholfen? Die Hand der Zeit scheuerte, nagte, rostete an den Ketten unaufhörlich, und so Viele auch hämmern, um die zerbrochenen Gelenke wieder festzunieten und wieder zu vereinigen, so wird sie doch in ihren Bewegungen allmählich ungezwungener, und sie gewinnt sich die Freiheit, noch ehe man sie ihr gesetzlich zuspricht. Aber auch die gesetzliche Emancipation kann ihr nicht lange mehr vorenthalten werden. Der Tag, der große Tag der Weltgeschichte, welcher den gesitteten Völkern das schriftliche Wort frei gibt: er kömmt unaufhaltsam heraufgestiegen, und Nacht wird’s nicht wieder, wenn auch alle Eulen flatterten und alle Lichtscheuen die Augen schlössen. – Jahrhunderte lang hatte eine falsche, selbstsüchtige, hinterlistige
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/12&oldid=- (Version vom 26.1.2025)