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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/113

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CCCCXXXXIV. Der Sperberstein im bayerischen Rheinkreise.




Dort, im alten Lande der Burgundionen, der starken Grenzhüter des Römerreichs gegen die Völkerströme der Barbaren, – dort in den Gebirgen, an deren Fuß jene fruchtbaren, weintriefenden Hügel sich wölben, die der Rebengott zu Lieblingssitzen erwählt hat, an der Grenze des Elsasses und Rheinbayerns, liegt ein Burgencyklus, um den, wie der Epheu um ihre Trümmer, die deutsche Heldensage ihr Immergrün geschlungen. Von dort stiegen jene gewaltigen Gestalten herab, die in der Nibelungen Lied gefeiert sind, und dort war der Schauplatz vieler Begebenheiten, welche die Meistersänger und Dichter des Mittelalters zum Liede begeisterten. Dort auf dem dreifach gegipfelten Sonnenberg stand Trifels, die Kaiserburg, wo einst die Reichskleinodien gehütet wurden und Richard Löwenherz im Kerker schmachtete, bis ihn die Treue seines Blondels erlösete; dort der Scharfenstein, dort das Hambacher Schloß, von wo Kaiser Heinrich IV. die schmachvolle Barfüßertour nach Canossa antrat, – Deutschland vor Rom, die politische Macht vor der geistlichen erniedrigend; – dort stand das Ahnenhaus der rheinfränkischen Herzöge, die in langer Reihenfolge den Kaiserthron einnahmen; dort der Drachenfels, wo Siegfried mit dem Lindwurm kämpfte; dort liegen die Stammburgen unserer berühmtesten Dynastengeschlechter, die, wie die Leiningen, die Dürkheime u. v. A. weit verzweigt im Vaterlande blühen, und aus denen seit länger als einem Jahrtausend dem deutschen Volke wackere Männer im Kriege und Frieden erwuchsen.

Unter den Ruinen der bayerischen Pfalz, welche den Namen längst untergegangener Rittcrgeschlechter tragen, ist der Sperberstein eine der schönsten. Hoch ragt er von der Spitze des Bergs über eine tiefe Thalschlucht, und sein Gemäuer, auf mächtigem Felsen erbaut, verspricht noch vielen Jahrhunderten zu trotzen.