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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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wohl bewässert, sich gegen die See hin öffnet. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatten die Türken den Ruinen eine Stadt eingebaut, die 4 bis 5000 Bewohner zählte. Jetzt ist ein Haufen elender, schmutziger Hütten, unter Trümmer versteckt, das Obdach räuberischer Beduinen, welche ihre Heerden in den Sanktuarien der Tempel weiden und die Gegend zu einer der verrufensten und unsichersten des Landes machen.
Die alten Schriftsteller sagen so wenig über das große Baalbeck, als über Palmyra. Macrobius erwähnt es als Heliopolis in Cölesyrien – die Sonnenstadt, – was mit dem Namen: Baalbeck, Thal des Baals, oder des Sonnengotts, nahe verwandt ist. Die Tradition nennt Salomo als Erbauer; gewiß ist nur, daß sie in der Kaiserperiode Roms ihren höchsten Glanz hatte, und dieser Zeit gehören auch die Gebäude an, deren Ruinen die Jetztwelt bewundert.
Die Trümmer der alten Pracht von Baalbeck bestehen nicht, wie in Palmyra, aus einer großen, über weite Gefilde hin sich verbreitenden Masse von Gemäuer und Säulen; sondern nur drei Gruppen von Ruinen sind übrig, welche nicht fern von einander im Thal, auf einer erhöheten Plattform stehen, die selbst das riesenhafteste Werk ist, welches Menschenhände errichteten; denn diese Terrassenmauer von halbstündigem Umfang besteht aus regelmäßig-behauenen Felsblöcken, von denen der kleinste 31 Fuß, der größte 64 Fuß Länge, 15 Fuß Höhe und 10 Fuß Breite hat, und die so genau auf einander gefügt sind, daß man noch jetzt nach 2 Jahrtausenden nicht im Stande ist, nur die Klinge eines Federmessers in eine Spalte zu bringen. Einer der größten dieser Steine würde, wenn man ihn in Quadern gewöhnlicher Größe trennte, hinreichen, um einen Palast zu erbauen, in dem Könige residiren könnten! Diese Quaderfelsen kamen aus einem zwei Stunden entfernten Steinbruche, in dem man jetzt noch welche ähnlicher Größe sieht, die, zum Theil fertig behauen, am Rande des Bruchs zum Wegschaffen bereit liegen; andere lagern noch unbehauen im Bruche selbst. An diesen Zurüstungen ersieht man, daß ähnliche Riesenwerke aufzuführen man die Absicht hatte; wahrscheinlich brach das Wetter der Zerstörung und Verwüstung urplötzlich über Baalbeck herein und zerschlug es mit einem Male vom Grund aus und so, daß es verscholl. Jede spätere Ansiedelung ist wohl nicht älter, als die Zeit der türkischen Herrschaft in diesen Gegenden, und sie war nie von Bedeutung. – Die größte Blüthe des alten Baalbeck fällt in die Zeit der Antonine. Die Münzen, welche hier häufig gegraben worden, tragen meist das Gepräge dieser Periode, und daß die Tempel, deren Ruinen übrig sind, derselben angehören, hat die Kunstforschung nachgewiesen. Spätere Anhängsel sind sarazenischen Ursprungs und stammen aus der Zeit der Kreuzzüge, wo die Haupttrümmer als Festung benutzt wurden. Man umgab sie damals mit Mauern und Thürmen. Sie sind jedoch schon wieder ganz zerfallen und nur noch Schutthaufen.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/108&oldid=- (Version vom 9.2.2025)