Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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erhielt, und streckte mich auf die Matten irgend einer gastlichen Wohnung, wo ich entweder den Beschäftigungen meiner Umgebung zusah oder selbst daran Theil nahm. So oft ich das Letztere wählte, war die Freude der Insulaner grenzenlos und ein Jeder wetteiferte mit dem Andern um die Ehre, mich in irgend einem besondern Kunstgriffe zu unterrichten. Ich wurde bald ein sehr geschickter Tappamacher, konnte eine Grasschlinge so gut flechten wie der Beste unter ihnen, und schnitzte einmal mit meinem Messer den Griff eines Wurfspießes so ausgezeichnet, daß ich überzeugt bin, daß Karnoonoo, der Besitzer desselben, ihn noch heute als eine besondere Probe meiner Geschicklichkeit aufbewahrt. Gegen Mittag fingen Alle, die das Haus verlassen hatten, an, sich nach und nach wieder einzufinden, und wenn die Mitte des Tages wirklich herangekommen war, hörte man kaum einen Laut im ganzen Thale: ein tiefer Schlaf ruhte über Allem. Diese köstliche Siesta wurde kaum jemals versäumt, außer vom alten Marheyo, der ein so excentrischer Charakter war, daß er keine festen Prinzipien irgend einer Art zu haben schien, sondern ganz nach den Eingebungen der Laune des Augenblicks schlief, aß oder an seiner kleinen Hütte flickte, ohne die geringste Rücksicht auf Zeit und Ort. Oft konnte man ihn am Mittage in der Sonne schlafend finden, oder um Mitternacht im Strome baden sehen. Einmal sah ich ihn achtzig Fuß über der Erde in der Krone
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)