Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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Eine Thatsache, welche ich später erfuhr, vermehrte meine Furcht. Das ganze System des Tättowirens war mit ihrer Religion verwoben und es war daher augenscheinlich, daß sie mich zu derselben bekehren wollten.
Bei der Verzierung der Häuptlinge scheint die sorgfältigste Zeichnung und Ausführung nöthig zu sein, während einige der niederen Eingebornen aussehen, als wären sie mit dem Pinsel eines Stubenmalers beschmiert. Ich entsinne mich eines Mannes, der sehr stolz auf einen großen länglichen Flecken auf seinem Rücken war, und der mich immer an einen Mann erinnerte, dem ein ungeheures spanisches Fliegenpflaster das Fleisch zwischen den Schultern zerrissen hatte. Ein anderer, dem ich oft begegnete, hatte seine Augenhöhlen zu zwei regelmäßigen Quadraten tättowirt, und seine beiden merkwürdig funkelnden Augen gukten aus diesen hervor, wie zwei in Ebenholz gefaßte Diamanten.
Obgleich ich überzeugt war, daß das Tättowiren eine Religionsformel sei, so konnte ich doch nie Aufschluß über die Art der Verwandtschaft desselben mit dem abergläubischen Götzendienst erhalten. Gleich dem noch wichtigeren Geiste des Taboo schien es mir immer unerklärlich.
Es herrscht unter den religiösen Einrichtungen der meisten polynesischen Inseln eine sprechende Ähnlichkeit, fast eine Gleichheit, und auf allen besteht der geheimnißvolle „Taboo“, dessen Anwendung mehr oder weniger beschränkt
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/183&oldid=- (Version vom 1.8.2018)