Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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aufrecht eingepflanzten Stäben von dickem Zuckerrohr. Zwei Weiber von betrübtem Äußeren wachten bei derselben, sangen traurige Gesänge und fächelten dem Todten mit Grasfächern, welche mit Pfeifenthon weiß gefärbt waren. In dem nahen Wohnhause war eine zahlreiche Gesellschaft versammelt und man bereitete verschiedene Nahrungsmittel zu. Zwei bis drei Individuen, welche einen Kopfschmuck von sehr schönem Tappa und eine große Zahl von Verzierungen trugen, schienen als Ceremonienmeister zu dienen. Gegen Mittag hatte das Fest wirklich begonnen und man sagte uns, es würde die ganzen beiden folgenden Tage dauern. Mit Ausnahme Derer, welche beim Leichnam trauerten, schienen alle den Gedanken an den neulichen Verlust mit gesellschaftlichen Genüssen betäuben zu wollen. Die Mädchen zierten sich mit ihren wilden Schmucksachen und tanzten, die Greise sangen, die Krieger rauchten und schwatzten und die Jungen und Heitern beiderlei Geschlechts aßen viel und schienen sich so freudig zu unterhalten, als wären sie bei einer Hochzeit.
Die Insulaner verstehen die Kunst des Einbalsamirens und üben sie mit solchem Erfolg, daß die Leichname ihrer großen Häuptlinge oft Jahrelang in denselben Häusern bewahrt werden, wo sie starben. Ich sah bei meinem Besuche in der Bucht von Tior drei solcher Mumien; die eine war in ungeheure Falten von Tappa eingehüllt, welche nur das
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)