Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
|
An Schönheit der Gestalt übertrafen sie Alles, was ich je gesehen hatte; nicht ein einziges Beispiel von natürlicher Verkrüppelung war in der ganzen Menge, welche dem Feste beiwohnte, zu bemerken. Ich sah wol mitunter Narben von Wunden, welche die Männer in der Schlacht erhalten, und bisweilen, obgleich sehr selten, den Verlust eines Fingers, eines Auges oder eines Armes, welcher derselben Ursache zuzuschreiben war. Mit diesen Ausnahmen erschien jeder Einzelne unter ihnen frei von allen Schäden, die zuweilen eine sonst völlig schöne Gestalt entstellen; aber ihre körperliche Schönheit bestand nicht blos darin, daß sie diese Übel nicht hatten; jeder Einzelne unter ihnen hätte zum Modell für einen Bildhauer dienen können.
Wenn ich bedachte, daß diese Insulaner durchaus keinen Vortheil von Kleidern zögen, sondern in der ganzen nackten Einfachheit der Natur erschienen, so konnte ich nicht umhin, sie mit den feinen Herren und Stutzern zu vergleichen, welche so untadelhafte Gestalten auf unsern Promenaden und öffentlichen Plätzen zeigen. Wollte man die civilisirten Männer aller Künsteleien der Schneider berauben, und sie in der Tracht des Paradieses hinstellen, was für traurige Gestalten mit runden Schultern, dünnen Beinen und langen magern Hälsen würden sie nicht sein! Falsche Waden, wattirte Brust, und künstlich geschnittene Hosen
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)