hinaus in ein Neues, fort von Allem, was äußerlich und innerlich sich zu einem Lebendigen gestaltet hat. Alle Erwägung drängte sich schließlich in der Frage zusammen: wo kannst du deinem Wesen, deiner Art des Fühlens und Denkens entsprechend mehr wirken? Dies allein mußte entscheidend sein, und nach und nach trat die Erkenntnis ein: nur in der Beschränkung liegt die Kraft, nur aus der Beschränkung entwickelt sich die Freiheit. Dort in Berlin, inmitten aller der die Thätigkeit zersplitternden Ansprüche des öffentlichen und geselligen Lebens hätte ich bald nur noch in die Breite wirken können — hier in Heidelberg darf ich in die Tiefe gehen.
In die Tiefe! Sobald ich dies ins Auge gefaßt:
das eigene Bedürfnis nach Versenkung und die Gewißheit, mit Anderen mich hier in innerlicher Weise zu verbinden, konnte mir der Entschluß nicht mehr zweifelhaft sein. Wirkte bei ihm stark die Anhänglichkeit an diese Stätte der Lehre, an diese herrliche Stadt, an dieses Land, und ganz besonders stark auch die Verehrung für unsere geliebten Großherzoglichen Herrschaften mit — die Entscheidung kam doch von jener Erkenntnis her. Nur in der Vertiefung, in der Verinnerlichung vermag ich die Befriedigung meines Strebens und den Glauben an eine Wirksamkeit zu finden. Freudigen Herzens entsagte ich den doch verlockenden Aussichten, welche mir in Berlin eröffnet waren.
Sie Alle, die Sie so willig meinen Vorträgen Gehör schenken, besonders aber Diejenigen, welche seit länger in der Arbeit mit mir verbunden sind, werden diese Erlebnisse mit mir empfinden. Hat sich doch seit den sechs Jahren,
Henry Thode: Kunst, Religion und Kultur. Carl Winter’s Uinversitätsbuchhandlung, Heidelberg 1901, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst,_Religion_und_Kultur.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)