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Seite:Kugelblitze.pdf/4

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Walther Kabel: Kugelblitze (Bibliothek für Alle. Illustrierte Monatsbände für Jung und Alt. 4. Jahrgang, Band 8)

starken Widerstand gefunden und sich daher sozusagen selbst zu einem Feuerball zusammengedrückt haben.

Ein historisch berühmt gewordenes Phänomen dieser Art erschien König Philipp V. von Spanien. Durch Testament Karls II., des letzten Habsburgers auf dem spanischen Königsthron, war jener Enkel Ludwigs XIV. von Frankreich zur Nachfolge berufen. Als er nun im April 1701 in den Königspalast von Madrid eingezogen war, sausten bei einem Gewitter zwei Feuerbälle durch das Dach in die Schloßkapelle. Einer davon sprang gegen die Wand, prallte von dieser zurück und fuhr auf den Erdboden, wo er in mehrere Feuerkugeln zerplatzte. Diese Kugeln hüpften wie elastische Bälle durch die Kapelle, vernichteten ein wertvolles Altarbild und schmolzen ein silbernes Kreuz zu einem unförmigen Klumpen zusammen. Das Volk deutete diese bis dahin so gut wie unbekannte Naturerscheinung als ein böses Vorzeichen für Philipps Regierung. Und wirklich mußte er dann im spanischen Erbfolgekriege lange Jahre um seine Krone kämpfen und zweimal aus Madrid fliehen, um schließlich 1746 in geistiger Umnachtung zu sterben. – Ein zweites Mal wurden im Jahre 1770 nach beglaubigten Berichten Kugelblitze im Hafen von Isle de France in größerer Zahl beobachtet. Während eines Gewitters zogen die Wolken so tief, daß sie fast die Mastspitzen der Schiffe in ihre Schleier einhüllten. Da fiel mit einem Male aus dem schwarzen Gewölk eine feurige Kugel von der Größe einer ausgewachsenen Kokosnuß heraus, glitt an dem mittelsten Mast eines Vollschiffes herab und platzte auf dem Deck mit ohrenbetäubendem Krachen. Mehrere in der Nähe an der Reling stehende Matrosen stürzten betäubt zu Boden. Das Deck war auf drei Meter im Umkreise völlig zersplittert, der Mast dagegen auffallenderweise völlig unversehrt geblieben. Wenige Minuten später prasselte dann ein wahrer Hagel von Kugelblitzen herab, die mehrere kleine Schiffe in den Grund bohrten, einen am Hafen gelegenen Speicher in Brand steckten und zwölf Personen töteten. Nach Angaben von Augenzeugen sollen damals gegen dreißig dieser Feuerkugeln gezählt worden sein. Ein ähnliches Naturschauspiel hat es seitdem nicht wieder gegeben.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Kugelblitze (Bibliothek für Alle. Illustrierte Monatsbände für Jung und Alt. 4. Jahrgang, Band 8). Verlag der Bibliothek für Alle, Dresden 1912, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kugelblitze.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)