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Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/51

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Capitel 9.
Ob der Erde mehrere Bewegungen beigelegt werden können? und vom Mittelpunkte der Welt.

Da also der Beweglichkeit der Erde nichts im Wege steht: so, glaube ich, muss nun untersucht werden, ob ihr auch mehrere Bewegungen zukommen, so dass sie für einen der Planeten gehalten werden könnte. Dass sie nämlich nicht der Mittelpunkt aller Kreisbewegungen ist, beweisen die scheinbar ungleichmässigen Bewegungen der Planeten, und ihre veränderlichen Abstände von der Erde, welche aus concentrischen Kreisen, mit der Erde im Mittelpunkte, nicht erklärt werden können. Da also mehrere Mittelpunkte existiren, so wird Niemand ohne Grund im Zweifel sein, ob der Mittelpunkt der Welt derjenige der irdischen Schwere, oder ein anderer sei. Ich bin wenigstens der Ansicht, dass die Schwere nichts Anderes ist, als ein von der göttlichen Vorsehung des Weltenmeisters den Theilen eingepflanztes, natürliches Streben, vermöge dessen sie dadurch, dass sie sich zur Form einer Kugel zusammenschliessen, ihre Einheit und Ganzheit bilden.[1] Und es ist anzunehmen, dass diese Neigung auch der Sonne, dem Monde und den übrigen Planeten innewohnt, und sie durch deren Wirkung in der Rundung, in welcher sie erscheinen, verharren; während sie nichtsdestoweniger in vielfacher Weise ihre Kreisläufe vollenden. Wenn also auch die Erde andere Bewegungen, als diejenige um ihren Mittelpunkt besitzt, so werden dieselben solche sein müssen, die nach aussen hin an Vielem in entsprechender Weise zur Erscheinung kommen, und unter diesen erkennen wir den jährlichen Umlauf. Da, wenn man die Unbeweglichkeit der Sonne zugegeben hat, und den jährlichen Umlauf von der Sonne auf die Erde überträgt, der Auf- und Untergang der Zeichen und Fixsterne, wodurch sie Morgen- und Abendsterne werden, sich in derselben Weise ergiebt: so wird es den Anschein gewinnen, dass auch die Stillstände und das Rück- und Vorwärtsgehen der Planeten nicht Bewegungen dieser, sondern der Erde sind, welche diese den Erscheinungen jener leiht. Endlich wird man sich überzeugen, dass die Sonne selbst die Mitte der Welt einnimmt. Und dies Alles lehrt uns das Gesetz der Reihenfolge, in welcher jene auf einander folgen, und die Harmonie der Welt, wenn wir selbst nur die Sache, wie man sagt, mit beiden Augen ansehen.

Capitel 10.
Ueber die Ordnung der Himmelskreise.

Dass die Fixsternsphäre das Höchste von allem Sichtbaren ist, sehe ich Niemanden bezweifeln. Die Reihenfolge der Planeten wollten die alten Philosophen nach ihren Umlaufszeiten bestimmen, indem sie als Grund dafür anführten, dass, wenn mehrere Körper mit gleicher Geschwindigkeit sich bewegen, diejenigen langsamer fortzurücken scheinen, welche weiter entfernt

Anmerkungen [des Übersetzers]

  1. [8] 21) A. v. Humboldt im Kosmos II. p. 348 u. 349 nimmt von diesem Satze Veranlassung, darauf aufmerksam zu machen, dass „die Idee von der allgemeinen Schwere oder Anziehung gegen den Welt-Mittelpunkt, die Sonne, aus der Schwerkraft in kugelförmigen Körpern geschlossen, dem grossen Manne vorgeschwebt zu haben scheine.“ Diese Hinweisung ist für ihn von solcher Wichtigkeit, dass er deren Wiederholung a. a. O. III. p. 18 und 19 nicht für überflüssig hält; — und doch ist Copernicus jener Idee völlig fremd, denn er steht ganz auf dem Boden der klassischen Philosophie. Aus den Entwickelungen des 8ten Capitels des I. Buches ergiebt sich nicht nur diese Thatsache, sondern auch dies, dass für Copernicus die gradlinige Bewegung, welche bei dem Fallen der Körper eintritt, nicht wegen einer den fallenden Körpern äusserlichen Anziehung, wie die Attractionstheorie lehrt, sondern deswegen stattfindet, weil die fallenden Körper sich nicht an den Orten der Erde befinden, wohin sie ihrer Natur nach gehören. Dazu kommt noch, dass in der von Humboldt angezogenen Stelle des 9ten Capitels nur von der Thätigkeit der Theile eines einzelnen Weltkörpers, sich zu einer Kugel zu vereinigen, die Rede ist, keinesweges aber von dem gegenseitigen Verhalten der Weltkörper zu einander; und dass deshalb diese Stelle ausserhalb jeden Zusammenhanges mit „der Idee von der allgemeinen Schwere oder Anziehung gegen den Welt-Mittelpunkt“ steht.