seine Sinne schwinden fühlte. Eine Ohnmacht überwältigte ihn. Als er zu sich kam, sah er Photinis schmale, blanke Augen über sich, ängstlich und neugierig, dann lachte sie ein wenig spöttisch, und mit der schrillen Musik ihrer Stimme rief sie „ptochos“, „Armer,“ das klang mitleidig und fast verächtlich.
„Schlafen Sie?“ fragte Mareile. Sie hatte sich auf dem Stuhle umgewandt und lächelte Günther an. „Sie sehn aus wie jemand, der angestrengt träumt.“
„Tu ich auch,“ sagte Günther. „Bei Musik träumen wir so lebhaft, wie im Fieber. Aber sagen Sie, wie singen Sie das?“
„Schlecht, ich weiß,“ meinte Mareile. „Noch kann ich nicht so recht. Es kommt immer Eigenes hinein. Nun, Isolde leiht mir wohl mal ihre Musik für meine eigenen Angelegenheiten.“
„O gewiß!“ stimmte Günther zu. „Sie brauchen ein Stimmungsventil. Das versteh’ ich. Wenn’s sich in mir so rührt, dann geh’ ich zu Peter und schreie ihn an. Wunderbar haben Sie gesungen.“
Beide schwiegen einen Augenblick. Mareile schlug sinnend einige Töne an.
„Sind Sie krank?“ fragte sie dann. „Sie sehn so – still aus?“
„Ja, Azedi.“
„Ist das eine Krankheit?“
„Ja, eine Klosterkrankheit. Die Nönnchen kriegen das von zu viel Heiligkeit. Ach, das ist heilbar … Es ist so ’ne Art Katzenjammer.“
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)