Soll ich schlürfen,
Süß in Düften
Mich verhauchen?
In des Wonnemeeres
Wogenden Schwall?“
Günther schloß wieder die Augen. Die Musik stellte mit visionärer Farbigkeit ferne, südliche Erinnerungen vor ihn hin. Rote Felsen, blonder Meersand, das Meer ein tiefblaues Atlastuch, das rauschend steife, blanke Falten schlägt. An der sonnenwarmen Felswand, auf den Sand niedergekauert, die kleine Photini, die junge Frau des alten Maoro Petros, des Zollaufsehers von Hydra. Dort wartete sie täglich auf Günther, wenn er vom Bade kam. Regungslos hockte sie, das Kinn auf die Knie gestützt, die Augen schmal und schwarz in die Helligkeit hinausstarrend, wie schöne Raubtieraugen, die auf Beute lauern. Wenn er dann vor ihr stand, zuckten die Wimpern. Er beugte sich nieder und nahm das ganze, sonnenwarme Figürchen in seine Arme. Photini lachte ein schrilles Möwenlachen. So trug er sie in einen Winkel, den die überhängenden Felsen zu einer schattigen Kammer machten. Die Wellen hatten große Sandpolster hineingespült, blank und gewässert, wie alte Brokate. Es roch nach Stein und Algen. Hier streckte Photini sich aus, ein mattgelber Elfenbeinleib, der glänzte, als flösse Honig statt Blut in seinen Adern, dann warf sie sich auf Günther, umschlang ihn mit den blanken Armen, den blanken Beinen, eidechsenwohlig zu Hause in der sinnlichen Glut, wie in der Sonnenglut an der Felswand. Günther entsann sich, wie er einmal in dieser wilden Umarmung
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)