Dann sprachen sie von Mareile Ziepe, der Inspektorstochter. „Oh, unsere Mareile,“ rief Günther, „die ist groß! Also – nicht nur die berühmte Sängerin; sie ist die gefeiertste Schönheit der Gesellschaft – der Gesellschaft – bitte.“
Die Baronin lachte: „Meine Mareile! Die hatte immer eine feste Hand … Wenn man Ziepe heißt und dann …“ „Na ja, Ziepe,“ meinte Günther, „das hat sie abgelegt. Sie heißt Cibò! Ist auch besser. Die Fürstin Elise kann ohne Mareile nicht leben, der Fürst Kornowitz schmachtet sie an.“
Durch die Seitentüre kam jetzt Frau Ziepe herein. Sie wollte die jungen Herrschaften begrüßen. Erhitzt und verlegen saß sie neben Beate und sprach von ihren Zwillingen. Plötzlich verklärte sich ihr Gesicht. Mareile war genannt worden.
„Auf Ihre Tochter,“ wandte sich Günther an die Inspektorsfrau, „sind wir alle stolz.“
„Danke, Herr Graf, danke.“ Frau Ziepe errötete. „Und ich hab’ mich so vor der Kunst gefürchtet. Man spricht so viel. Aber Mareiling hat Charakter, Gott sei Dank.“
„Was tun wir?“ fragte Günther seine Frau, als sie wieder allein in Beatens blauem Kabinett auf den weißlackierten Stühlchen saßen. „Natürlich, beieinander sein!“ Er nahm Beatens Hand und küßte vorsichtig jede Fingerspitze. „Ja, was tun wir?“ wiederholte Beate.
Günther dachte nach. „In den Garten müssen wir, damit wir so das Sumsum des Sommers hören. Nicht? Im Park unter den Linden muß es jetzt gut sein. Suche ein Buch heraus. So was Altmodisches, ganz Süßes, weißt du. Ich bestelle die Hängematten?“
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)