„Zum ersten möchte ich mit dir einen Abschiedstrunk trinken,“ sagte die Gräfin, „und dann laß mich das Liebste mitnehmen, was ich auf dem Schlosse habe.“
Die beiden Bitten mochte der Graf dem schönen Kathrinchen nicht versagen, und er trank den Abschiedstrunk mit ihm. Die Gräfin hatte aber einen Schlaftrunk in den Becher gethan. So kam’s, daß der Graf in einen tiefen Schlaf verfiel und nicht merkte, was um ihn und mit ihm geschah. Das hatte Kathrinchen aber gerade gewollt, und es steckte ihn in einen großen Sack und ließ ihn dann auf einem Leiterwagen, mit vier Ochsen bespannt, in des Besenbinders Häuschen fahren. Dort luden die Diener den Sack im Stalle ab und kehrten wieder auf das Schloß zurück; Kathrinchen aber hielt Wacht bei seinem Manne.
Um Mitternacht erwachte der Graf aus dem Schlafe und schlug mit den Armen um sich; und als er merkte, daß er gefangen war, begann er zu wimmern und zu klagen und rief einmal über das andere: „Wo bin ich?“
„Wo sollst du sein?“ antwortete Kathrinchen. „Bei mir bist du, Herzensmann! Du warst mir das Liebste im ganzen Schlosse, und darum habe ich dich im Sacke hierher genommen in meines Vaters Stall.“
„Ach, bind doch den Sack wieder auf!“ bat der Graf.
„Willst du mich auch in dein Schloß nehmen und nie mehr von dir lassen?“ fragte das schöne Kathrinchen; und als ihm der Graf das versprochen hatte, band es die
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)